Sonnenblume hat geschrieben:Vielleicht weil er wußte, dass es nur Show ist und weil er nicht über jedes Stöckchen springt, was man ihm hinhält, wie mancher hier?
Ich glaube schon, dass es etwas mehr als Show war, und ich bin sicher, dass Klitschko das auch genau weiß, er ist nur zu klug, darauf anzuspringen.
Ich glaube, vielen, die den Kampf nicht gesehen haben, ist nicht so richtig klar, was da eigentlich abging. Im Vorfeld gab es einen wie ich finde guten Artikel in der FR, hier ein kleiner Ausschnitt:
Beim offiziellen Wiegen einen Tag vor seiner Titelverteidigung im vergangenen Jahr in Stuttgart gegen den Deutschen Marco Huck präsentierte der Weltmeister eine wenige Monate alte Tätowierung. Auf der Innenseite des linken Oberarms, zu sehen also nur, wenn Powetkin es auch zulässt. Auf der Waage hob er die Arme an und ließ die Muskeln spielen. Zum Vorschein kamen zwei mit einem Quadrat verschlungene ovale Kreise – das sogenannte Swaroger Quadrat. Ein Symbol für die heidnisch-slawische Gottheit Swarog, beliebt unter anderen bei russischen Nationalisten und Neonazis. Powetkins Botschaft kam an.
[...]
Huck wurde als „dümmlicher Bosnier“ verspottet. Und User „antiliberal“ fragte nach, ob Powetkin angesichts seiner neuen Tätowierung nun „einer von uns“ sei. Forumsmitglied „Neuwessel“ antwortete, es könne gut sein, dass Powetkin ein „radikaler Nationalist“ und ein „Mitglied der Nordbruderschaft“ sei.
Dieser Zusammenschluss Rechtsradikaler hat sich einen Systemsturz in Russland zum Ziel gesetzt. Nach der Machtübernahme wollen sie einen monoethnischen, technokratischen und russischen Staat errichten, ein „erleuchtetes, heiliges Russland“. Ihr Logo: das Swaroger Quadrat. Ihre Losung: „Rus gegen Russland“. Das mittelalterliche Großreich Kiewer Rus, das Teile der heutigen Staaten Russland, Ukraine und Weißrussland umfasste, gilt als Sehnsuchtsort russischer Nationalisten. So tragen Powetkins Anhänger auch T-Shirts mit der Aufschrift „Powetkin – Eine Ehre für die Rus“.
Auch im russischen Facebook-Pendant „vk.com“ schwärmte ein Nutzer mit dem deutschen Usernamen „Wotan-Jugend“ von Powetkin: „Die Rolle Alexanders auf die Entwicklung des russischen Kampfsports kann man gar nicht überschätzen ... Er versteckt nie seine nationalistischen Ansichten und tritt vor dem Publikum mit rechten Losungen auf.“
Powetkin wird stellvertretend für eine Szene in die Schlacht geschickt, die sich durch Rückbesinnung auf alte Werte der „Erneuerung Russlands“ verschrieben hat, die allem, was dem russischen Volke schaden könnte, den Kampf ansagt – ob das nun die grassierende Volkstrunkenheit ist oder die ansteigende Zuwanderung von Asiaten und Kaukasiern. Der russischen Urangst, noch einmal von Mongolen und Tataren überrannt zu werden, begegnen sie mit der Flucht in ein nationalistisches, heidnisches Slawentum.
Powetkin selbst widerspricht der Vereinnahmung aus der rechten Ecke. Gegenüber der Frankfurter Rundschau erklärte er aus seinem Trainingslager in Kirgistan: „Obwohl gewisse Gruppierungen so tun, als hätte ich diese Ansätze, distanziere ich mich davon. Diese Leute versuchen, in Internetforen und manch anderen Publikationen zu signalisieren, ich und auch andere Persönlichkeiten aus dem Kampfsport würden sie repräsentieren. Aber das stimmt nicht.“
Quelle:
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Aus dem Artikel wird m.E. ganz gut die nationalistisch aufgeheizte Stimmung deutlich, die diesen Kampf umgab. Powetkin distanzierte sich zwar einerseits von den ultra-radikalen, andererseits schwimmt er voll auf der nationalistischen Welle. Interessant ist hier noch ein anderer Ausschnitt aus dem Online-Journal des FC St. Pauli (Klitschko ist auf St. Pauli in Hamburg quasi lokale Prominenz)
Während er zu dem Song „Can`t stop it“ der Red Hot Chilli Peppers in den Ring stieg, stand in der gegenüberliegenden Ecke Alexander Povetkin. Ein Mann, der sich als Nationalist und russischen Ritter (Russkij Vitjaz’) bezeichnet. Das Kvadrat Svaroga prangt auf der Innenseite seines linken Oberarmes. Povetkin marschierte zu den Klängen einer in Ritterrüstungen verkleideten Band ein. Er präsentierte mit zur Siegerpose erhobenen Armen ein Symbol, welches der nationalsozialistische Slawische Bund bis zu seinem Verbot 2011 ebenfalls nutzte.
Quelle:
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Ich empfinde das nicht als Skandal, eher nur als reichlich geschmacklos. Aber es ist auch schon etwas mehr als nur Show, es hatte eine doch recht klar politische Botschaft. Wie weit der Boxer das selber forciert, sei dahingestellt, es entstand aber eine entsprechende Atmosphäre. Insofern habe ich Galizier's Kommentar als Satire und nicht als Nationalismus verstanden. Ich fand die Häme absolute berechtigt, denn wer so dick aufträgt, wie das Klitschko's Gegner da tat, der muss auch liefern. So sehe ich das.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!