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eurojoseph
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Abspalten ???

Beitrag von eurojoseph »

Nachdem ich die Wahlergebnisse nicht ganz ignorieren kann - gefälscht wird schon genug sein....
ich denk unser Freund Anduchowitsch hat doch recht....lasst doch Donetzk, Charkiv und die Krim im russischen Sumpf versinken, Saporishsha (auch wenn es weh tut - der Sich) notfalls auch - und die westorientierten auf Richtung EU.....Wir können dort nix gewinnen, wir haben dort auch nix verloren....
Russkie Mir ist einfach zu asiatisch, zu kriecherisch, zu byzantinisch ....Wundbrand verlangt halt manchmal nach Amputation - und den russischen "Stolz" Odessa könnte man ja zur Not gegen die Krim abtauschen ....und dann gleich das bexxxissene Denkmal der "grossen" Katharina im Meer versenken....
welch ein trauriges Wahlergebnis, welch ein Dreck ...

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Handrij
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Re: Abspalten ???

Beitrag von Handrij »

eurojoseph hat geschrieben:Nachdem ich die Wahlergebnisse nicht ganz ignorieren kann - gefälscht wird schon genug sein....
ich denk unser Freund Anduchowitsch hat doch recht....lasst doch Donetzk, Charkiv und die Krim im russischen Sumpf versinken, Saporishsha (auch wenn es weh tut - der Sich) notfalls auch - und die westorientierten auf Richtung EU.....Wir können dort nix gewinnen, wir haben dort auch nix verloren....
Russkie Mir ist einfach zu asiatisch, zu kriecherisch, zu byzantinisch ....Wundbrand verlangt halt manchmal nach Amputation - und den russischen "Stolz" Odessa könnte man ja zur Not gegen die Krim abtauschen ....und dann gleich das bexxxissene Denkmal der "grossen" Katharina im Meer versenken....
welch ein trauriges Wahlergebnis, welch ein Dreck ...

Wenn du dir die Wahlergebnisse genau anschaust, dann kannst du auch zu dem Schluss kommen, dass sich Galizien doch bitte schön endlich vom Projekt Ukraine verabschieden soll.
Dieses Fälschungsgerede bringt einen hier auch nicht weiter. Bei den Parteilisten stimmen die Ergebnisse weitestgehend mit den Exit polls überein. Bei den Direktmandaten sollte die Opposition vor allem erst einmal die Fehler bei sich suchen. Wieso hat man mit Klitschko nicht ukraineweit die Direktkandidaten abgestimmt?
Im Vorfeld war davon die Rede, dass Kiew komplett verloren sei für die Opposition, weil überall Lebensmittelpakete, administrative Ressourcen, Wählerstimmenkauf, Wählerkarussels usw. der Opposition den Weg verbauen. Was haben wir als Ergebnis? 11 von 13 Direktmandaten für die Opposition. Was denn nun? Haben sie mehr Wähler gekauft oder ist der ukrainische Wähler vielleicht gar nicht so beeinflussbar, zumindest die Städter? Kann man dieser Opposition überhaupt noch etwas glauben? Offensichtlich ist Demokratie vor allem für die Vereinte Opposition nur dann, wenn "wir" gewinnen.
Zudem: Korolewskaja wurde nicht reingezählt! Swoboda wird wohl sogar zweistellig bei den Parteilisten abschneiden. Über Swoboda sollte sich die Vereinte Opposition mal Gedanken machen und nicht jeden Halbsatz mit "Slawa Ukrajiny - Herojam Slawa" beenden. Das ist nur noch albern ...

Der einzige wirkliche Punkt, den man anbringen könnte, wäre, dass Timoschenko und Luzenko eingeknastet sind. Man kann aber auch angesichts der Umfragewerte für Timoschenko argumentieren, dass die Vereinte Opposition ihre 24% aufgrund des Fehlens von Timo bekommen hat - einerseits der Märtyrerbonus und andererseits ging sie den Leuten nicht so auf die Nerven. Was sie aber trotzdem gemacht hat. Egal welchen Sender man eingeschalten hat, überall hauchte Julia, dass sie nicht klein bei geben wird. Ok, es gab im 1. diese ganzen Pseudodokus gegen Oppositionsvertreter, aber man kann nicht behaupten, dass sie keinen Zugang zu den Diskussionssendungen, den Werbetafeln, Zeitungen gehabt hätten.
Zumal sie den Osten sowieso aufgegeben haben ....
Fragen müsste man sich auch bei der Opposition, wieso die Wahlbeteiligung im Süden und Osten so niedrig ist, auch wenn ständig behauptet wurde, dass gerade im Osten und Süden die Wahlbeteiligung künstlich hochgezogen wird, um das Ergebnis zugunsten der Regionalen und Kommunisten zu verfälschen.
Fragen kann man auch die Vereinte Opposition, wieso sie damals teilweise der Wahlgesetzänderung zugestimmt hatte?
Wollte man die Marke Batkiwschtschyna durch den Ausschluss von Blöcken stärken? Wollte man Klitschko und Swoboda durch die Anhebung der Wahlhürde draußen haben? Erhoffte man sich eine Mehrheit durch Direktmandate?

Die EU sollte übrigens endlich mal dieses olle Assoziierungsabkommen unterzeichnen. Die Ratifizierung kann dann ja nach Janukowitsch stattfinden, aber Janukowitsch hin oder her: hier gibt es keine massenhafte Folter, hier werden nicht ständig Journalisten getötet und hier wird nicht Krieg gegen die eigene Bevölkerung geführt, wie in dem NATO-Mitgliedsstaat, dem EU-Beitrittskandidaten Türkei.
Wenn sie es mit ihrem Gemoser ernst meinen würden, hätten sie endlich die Visafreiheit eingeführt und Janukowitsch & Co. auf die schwarze Liste gesetzt. Ich hab eher den Eindruck, dass man nur immer wieder neue Vorwände sucht, um die Ukrainer draußenzuhalten. Dabei geht es ja nur erstmal um eine Freihandelszone, Visafreiheit und die Angleichung der ukrainischen Gesetzgebung an die europäische. Keine Mitgliedschaft usw.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Handrij »

Nachtrag: wenn diese Wahlen wirklich so sehr gefälscht wurden, "vom ersten Tag bis zum letzten Tag", wieso legen dann die Herren und wenigen Frauen Abgeordneten von der Vereinten Opposition, UDAR und Swoboda ihre illegitim erworbenen Abgeordnetenmandate nicht einfach nieder und bestehen auf Neuwahlen?

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Nun, Swoboda hat offenbar nicht nur in der Westukraine ziemlich gut abgeschnitten.

Ich kann bei aller Abscheu, die ich für diese Partei empfinde, dennoch nur davor warnen, Swoboda-Wähler pauschal als rechts abzustempeln, und zwar egal, in welchem Teil des Landes sie leben.

Ich hatte gerade gestern ein Gespräch zu dem Thema, da ging es um Ternopil, welches ja in der westlichen Presse ziemlich dafür heruntergemacht wurde, dass es schon vor Jahren Swoboda als stärkste Partei in die Stadtverwaltung wählte. Nun ist Ternopil eine typische westukrainische Stadt, und die Leute sind sicher nicht weniger patriotisch als im Rest der Westukraine, nur hatte das mit dem Wahlverhalten wenig zu tun. Es ging und geht um lokale Themen und darum, wer kandidiert. In einer kleinen Stadt wie Ternopil kennt jeder jeden, und Swoboda hatte es schon recht früh geschafft, relativ populäre und rechtschaffende Leute als Kandidaten zu gewinnen (zumal die alte BJuT-Garde sich nicht mit Ruhm bekleckert hatte und daher eher unten durch war). Es ging weder bei den entsprechenden Kommunalwahlen als auch danach um Themen wie "Ausländer raus" etc. (übrigens: Ternopil lebt zu einem guten Teil von seinen Universitäten und den vielen ausländischen, oft afrikanischen, Studenten, denen es unter Swoboda-Verwaltung nicht schlechter geht als vorher), sondern um praktische kommunale Themen.

Politik in der Ukraine ist längst nicht so politik-lastig (schöner innerer Widerspruch, nicht wahr?) wie hier in Deutschland.

Was Andruchovytsch betrifft, halte ich es mit - ich glaube - Dubinjanskij, der in einer Kolumne mal diese Idee mit einer Ehescheidung verglich und Szenarien ausmalte, wie so etwas praktisch aussehen könnte. Ich will dabei nicht ins Detail gehen, aber jeder möge das in Gedanken selber mal durchgehen und sicherlich zu dem Schluss kommen, dass so etwas (a) nicht harmonisch verlaufen würde und (b) ein erbitterter Zank um das Tafelsilber stattfinden würde. Keiner will das.

Jetzt wegen der Swoboda-Ergebnisse den Westen loswerden zu wollen, ist Quatsch, denn es bekämpft das Symptom statt der Ursache. Die Ursache sitzt in Donetsk und macht sich seit zwei Jahren immer mehr im Rest des Landes breit. So einfach ist das. Und so schwer.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Sonnenblume »

mbert hat geschrieben: Was Andruchovytsch betrifft, halte ich es mit - ich glaube - Dubinjanskij, der in einer Kolumne mal diese Idee mit einer Ehescheidung verglich und Szenarien ausmalte, wie so etwas praktisch aussehen könnte. Ich will dabei nicht ins Detail gehen, aber jeder möge das in Gedanken selber mal durchgehen und sicherlich zu dem Schluss kommen, dass so etwas (a) nicht harmonisch verlaufen würde und (b) ein erbitterter Zank um das Tafelsilber stattfinden würde. Keiner will das.
Warum macht man eigentlich nicht mal ne Volksabstimmung dazu? Hat man Angst, schlafende Hunde zu wecken?

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Sonnenblume hat geschrieben:Warum macht man eigentlich nicht mal ne Volksabstimmung dazu? Hat man Angst, schlafende Hunde zu wecken?
Ich glaube, das widerspräche den Geschäftsinteressen diverser, daher lässt man lieber die Finger davon :)
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Handrij »

Sowohl die Vereinte Opposition, als auch UDAR diskutieren jetzt angeblich die Niederlegung ihrer Mandate. In der nächsten Woche soll es ernst werden. Ich glaube es erst, wenn ich es sehe und es würde Respekt hervorrufen.

Nach dem derzeitigen Stand der Wahlprotokollauswertung beträfe es 143 Mandate. Wenn wir Swoboda hinzurechnen, dann wären es gar 180 Mandate.

Was die Swoboda-Wähler betrifft, so besteht die Kernwählerschaft eher aus dumpfen ukrainozentrischen Patrioten. Bei diesen Wahlen haben sie aber von der fehlenden "Gegen alle" Option profitiert und dies vor allem in russischsprachigen und Intellektuellenkreisen. Ansonsten hätten sie die Fünfprozenthürde nicht so mühelos überwunden.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Kurt Simmchen - galizier »

Ich glaube die Probleme in den Parteien, auch der UDAR sind hausgemacht.
Der Wahlkampf wurde von Gehaltsempfängern gemacht und nicht von Anhängern der Ideen.
Wenn morgen die PR einen Manager sucht und mehr zahlt als Klitschko, dann gehen sie dorthin ihrem Salär abholen.
Das zum einen. Ich habe nur bezahlte Figuren erlebt und nicht einen der für die Idee seiner Partei brennt.
Ich habe in diesen Wochen auch bei UDAR nicht eine Aktion erlebt die unter die Haut gegangen wäre.
Handrij
Was die Swoboda-Wähler betrifft, so besteht die Kernwählerschaft eher aus dumpfen ukrainozentrischen Patrioten. Bei diesen Wahlen haben sie aber von der fehlenden "Gegen alle" Option profitiert und dies vor allem in russischsprachigen und Intellektuellenkreisen. Ansonsten hätten sie die Fünfprozenthürde nicht so mühelos überwunden

Ganz so einfach ist das nicht. Die Verelendung hier in Galizien wird nur durch die Alimentation durch die Schwarzarbeiter in Europa gemildert. Dazu kommt eine sehr starke Perspektivlosigkeit und eine Ausgrenzung des finanziellen Prekariats.
Irgendwann rächt sich das. Sicher hat Swoboda keine Patentlösungen, aber die haben dem Volk besser aufs Maul geschaut.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

galizier hat geschrieben: Ganz so einfach ist das nicht. Die Verelendung hier in Galizien wird nur durch die Alimentation durch die Schwarzarbeiter in Europa gemildert. Dazu kommt eine sehr starke Perspektivlosigkeit und eine Ausgrenzung des finanziellen Prekariats.
Irgendwann rächt sich das. Sicher hat Swoboda keine Patentlösungen, aber die haben dem Volk besser aufs Maul geschaut.
Wahre Worte! Die Sicht der Rest-Ukraine auf Galizien ist immer noch von wenig Wissen und vielen Klischees geprägt. Dass nun Svoboda in der West-Ukraine stark abschnitten, passt nun für viele einfach nur zu gut ins Konzept - alle zu Faschisten abstempeln und Deckel drauf. Das ist ebenso primitiv wie falsch, und es ist von der Qualität her vergleichbar mit ähnlich dümmlichen Stereotypen über den Osten.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Handrij »

Entschuldigung, wenn ich euch auf die Füße getreten sein sollte, aber die Kernwählerschaft von Swoboda sind die Leute, die immer Swoboda wählen, egal was kommt. Ich meine nicht die Leute, die mal "Nascha Ukrajina" mal Batkiwschtschyna mal Front Smin wählen, je nach Konjunktur.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Handrij hat geschrieben:Entschuldigung, wenn ich euch auf die Füße getreten sein sollte, aber die Kernwählerschaft von Swoboda sind die Leute, die immer Swoboda wählen, egal was kommt. Ich meine nicht die Leute, die mal "Nascha Ukrajina" mal Batkiwschtschyna mal Front Smin wählen, je nach Konjunktur.
Da muss ich widersprechen. Der Frust über die orangenen Parteien war in der Westukraine 2010 so groß, dass ein relevanter Teil der Bevölkerung überhaupt nicht wählen ging oder gegen alle stimmte.
Es liegt in der Mentalität der Westukrainer, die Initiative zu suchen. In der politischen Landschaft seit 2010 gibt es als relevante Kräfte einerseits die PR und die Kommunisten, die natürlich überhaupt nicht gehen, dann NU, (Ex-) BJuT und eben Swoboda.
Nun kommt auch noch hinzu, dass in den ganzen letzten Jahren, die in Galizien gewählten "Volksvertreter" sich oft durch Inkompetenz und Korruption hervorgetan haben, wie das ja mt Politikern in der gesamten Ukraine leider keine Seltenheit ist.

Swoboda war einfach im richtigen Moment an der richtigen Stelle (und wurde von PR-Polittechnologen zudem noch ins Fernsehen gehievt, was ihnen über alle Maße Publicity verschaffte). Natürlich ist der Weg zu einer rechten Partei für einen nationalbewussten Menschen näher als z.B. zu den Kommunisten (umgekehrt gilt entsprechend selbiges), aber die hohen Stimmanteile für Swoboda in der Westukraine haben m.E. sehr viel mit Mangel an Alternativen und steigender Wut gegen die Donetsker zu tun.

Ich hatte ja bereits geschrieben, was ich so von Ternopil mitbekommen habe. Die Politik ist dort - wie auch im Rest des Landes - weit weniger durch Ideologie geprägt, als das z.B. bei uns der Fall ist. Außerdem kann man in Ternopil sehen, dass Swoboda auch nichts anders gemacht hat als alle anderen Parteien dort zuvor. Das gilt sowohl, was die typischen faschistischen Ideen betrifft (zum Glück!) als auch Inkompetenz und Korruption. Wer wirklich von der Weltanschauung fest hinter Swoboda steht, wird sich in den nächsten Jahren zeigen, wenn die Leute sehen können, ob und was diese Partei überhaupt auf die Reihe bekommt.

Versteht mich nicht falsch, ich habe überhaupt keine Sympathie für diese Partei, und ich kenne auch in West-UA einen Haufen Leute, die wie ich nur davor warnen können, mit denen zu paktieren (nach dem Motto, dass der Feind meines Feindes mein Freund sein muss), denn letztlich arbeiten die ja den Idealen dort entgegen - eine einige Ukraine wird es mit denen nicht geben, das muss jeder verstehen, der denen seine Stimme gibt. Dennoch muss man m.E. ihre Stimmanteile weit differenzierter betrachten, als das von vielen (vielleicht auch durch eine deutsch geprägte ideologische brille betrachtet) getan wird.
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Re: Abspalten ???

Beitrag von Minuteman »

eurojoseph hat geschrieben:Nachdem ich die Wahlergebnisse nicht ganz ignorieren kann - gefälscht wird schon genug sein....
ich denk unser Freund Anduchowitsch hat doch recht....lasst doch Donetzk, Charkiv und die Krim im russischen Sumpf versinken, Saporishsha (auch wenn es weh tut - der Sich) notfalls auch - und die westorientierten auf Richtung EU.....Wir können dort nix gewinnen, wir haben dort auch nix verloren....
Russkie Mir ist einfach zu asiatisch, zu kriecherisch, zu byzantinisch ....Wundbrand verlangt halt manchmal nach Amputation - und den russischen "Stolz" Odessa könnte man ja zur Not gegen die Krim abtauschen ....und dann gleich das bexxxissene Denkmal der "grossen" Katharina im Meer versenken....
welch ein trauriges Wahlergebnis, welch ein Dreck ...
Nun, um bei Deiner Metapher zu bleiben, eine Amputation ist immer der letzte Ausweg wenn wirklich nichts mehr geht. Und ob nun mit oder ohne Narkose, es fliesst immer Blut. Dazu kommn später die Phantomschmerzen sowie stark eingeschränkte Leistungsfähigkeit. Da nun aber abzusehen ist das kein Teil der Ukraine den anderen in den Abgrund führt würde ich von einer "Amputation" dinglichst abraten.

Zum Wahlausgang:
Ich finde Handrij hat den Wahlausgang sehr gut analsiert und seine kritischen Fragen sind m.E. durchaus berechtigt und angebracht. Über das zu unterzeichnende Assoziierungsabkommen könnte man streiten und jeder hätte auf seine Weise recht. Meiner Meinung ist es zum jetzigen Zeitpunkt das falsche Signal an die Regierung in Kiew und man könnte es als "einknicken" vor Janukowitsch interpretieren.

Zu Swoboda:
Naja, ich kenn jetzt nun ein paar Swoboda-Stammwähler und die sind eben nicht "hohl in der Birne" oder dumpfe Ultra-Nationalisten, sondern ganz normale Leute und nach meinem Ermessen nicht dümmer als andere. Selbst meine Frau hätte Swoboda gewählt, obwohl sie kein großer Fan dieser Partei ist. Um es etwas krass zu fomulieren ist trifft es am ehesten "Lieber Tot als Rot" in diesem Fall auch Blau. also bevor die KPU oder PR lieber Swoboda. Ausserdem scheint es das die Svobodaltrupps den "Journalistentrupps" der Blauen beim Versuch der Manipulation ganz schön entgegenhalten.
So bin ich mehr auf Mberts Argumentation das Swobodawähler nicht unbedingt rechts sein müssen und die Entscheidung das Kreuz bei Liste oder Direktmandat durchaus aus anderen Motiven gemacht wurde als eine rein rechts-nationalistische Ideologie!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Handrij »

Noch einmal zu den Swoboda-Stammwählern.
Diese Partei hat ihre Ursprünge in den 90ern und ihr Durchbruch kam erst 2009. Damals wurde Timoschenkos Batkiwschtschyna mit der Wahl Swobodas im Gebiet Ternopil abgestraft. Die Leute hatten offensichtlich auch die Nase voll von Julkas Leuten. Diese würde ich aber nicht als Stammwähler bezeichnen.
2007 erzielte Swoboda 0,76 Prozent!!! Das ist die Stammwählerschaft und das sind solche Leute:
[youtube][/youtube]

Dass in Galizien und auch Wolhynien die Wählerschaft aus historischen Gründen eher in Patriot macht, ist ja bereits des Öfteren hier erörtert worden, dennoch rechtfertigt das nicht die Wahl einer faschistischen Partei. In Kiew 17 Prozent und wohl zwei Direktmandate ... auch aus Protest gegen die Vereinte Opposition, der man es nicht mehr zutraut.
Hoffen wir mal, dass alles gut wird.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Handrij hat geschrieben: Hoffen wir mal, dass alles gut wird.
Es ist verdammt wichtig, dass sich in absehbarer Zeit mal jemand als Alternative profilieren kann. Ich habe ja immer noch gewisse Hoffnungen, dass Klitschko das mal werden kann..
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Handrij »

mbert hat geschrieben:
Handrij hat geschrieben: Hoffen wir mal, dass alles gut wird.
Es ist verdammt wichtig, dass sich in absehbarer Zeit mal jemand als Alternative profilieren kann. Ich habe ja immer noch gewisse Hoffnungen, dass Klitschko das mal werden kann..
no way ....
Klitschko ist nach sechs Jahren immer noch kein Politiker und die Leute in seiner Liste, naja Überreste von Nascha Ukrajina ...
Hoffen kann man nur auf solche Sachen wie Tschesno, aber am Ende wird alles immer aufgekauft. Solange es keine unabhängige Parteienfinanzierung gibt, wird sich da nichts ändern.

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von mbert »

[mbert moderiert:] Dies ist eine Teil-Diskussion, die ich aus dem Thema Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus? hier mit angehängt habe.

Honigdachs hat geschrieben: ... sollen sie aufeinander schiessen, wenn die Wuensche Andruchovytschs verwirklicht werden wuerden?
Dieser Kommentar ist aus meiner Sicht ausgesprochen unsachlich, und Du machst damit selber kaputt, was Du hier eigentlich eigentlich anfangen wolltest.

Das Thema sollte doch hier "Individualismus vs. Kollektivismus" sein. Wenn du solche Bemerkungen einstreust, provozierst Du damit Widerspruch (u.U. sogar hart formulierten), und es entsteht mit größerer Wahrscheinlichkeit eine Nebendiskussion, die mit Deinem Thema nichts zu tun hat.
Wenn Du das Bedürfnis hast, Dich zu Andruchovytsch auszutauschen, schlage ich vor, dazu ein eigenes Thema aufzumachen.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Honigdachs
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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von Honigdachs »

mbert hat geschrieben:
Honigdachs hat geschrieben: ... sollen sie aufeinander schiessen, wenn die Wuensche Andruchovytschs verwirklicht werden wuerden?
Dieser Kommentar ist aus meiner Sicht ausgesprochen unsachlich ...
Warum unsachlich? Kannst du diese Meinung begruenden? Ich bleibe dabei: Ich halte die Forderung nach der Spaltung der Ukraine fuer abenteuerlich, gefaehrlich, demagogisch, verlogen, realitaetsfern. Bitte denke drei Schritte weiter! Kiew - das neue Jerusalem? Ukrainisch-russische Partnerschaften trennen? Aufteilung des Landes nach voelkischen, Blut-und-Boden-Kriterien? Ukraine in die NATO, wie Julia T. es wollte? Dann muessten die beiden leiblichen Brueder ihre Raketen aufeinander richten!
Ich bitte dich, um der Sache willen, JEDE MEINUNG zu begruenden, nicht bloss stimmungsmaessig ein Gefuehl zu aeussern.

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eurojoseph
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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von eurojoseph »

Honigdachs hat geschrieben:
mbert hat geschrieben:
Honigdachs hat geschrieben: ... sollen sie aufeinander schiessen, wenn die Wuensche Andruchovytschs verwirklicht werden wuerden?
Dieser Kommentar ist aus meiner Sicht ausgesprochen unsachlich ... /quote]
Warum unsachlich? Kannst du diese Meinung begruenden? Ich bleibe dabei: Ich halte die Forderung nach der Spaltung der Ukraine fuer abenteuerlich, gefaehrlich, demagogisch, verlogen, realitaetsfern. Bitte denke drei Schritte weiter! Kiew - das neue Jerusalem? Ukrainisch-russische Partnerschaften trennen? Aufteilung des Landes nach voelkischen, Blut-und-Boden-Kriterien? Ukraine in die NATO, wie Julia T. es wollte? Dann muessten die beiden leiblichen Brueder ihre Raketen aufeinander richten!
Ich bitte dich, um der Sache willen, JEDE MEINUNG zu begruenden, nicht bloss stimmungsmaessig ein Gefuehl zu aeussern.
Brüder ????????? Hatten wir das nicht schon mal 1968 in der CSSR ??? Sind die Russen unsere Freunde oder Brüder - müssen wohl Brüder sein, Freunde kann man sich aussuchen...wer will ukrainisch russische Partnerschaften trennen ??? Welch eine Demagogie - wie war das zwischen Tschechen und Slowaken ??? Oder vielleicht geht das mit Russen nicht ??? Weil sie was hergeben müssten ??? Heilige - geraubte - Erde ......
Donezk und die Krim - wer weint da drum ? Was wär schlecht wenn die Ukraine in der NATO wär - natürlich wäre die Drohkulisse dann wohl weg - genauso wie im Baltikum könnte der Kreml zwar geifern und seine 5.Kolonnen würden ein bissl Staub aufwirbeln, RT würde schleimen, schlussendlich aber wie heisst es so schön - die Hunde bellen aber die Karawane zieht weiter...richtung Westen....

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von mbert »

Honigdachs hat geschrieben:
mbert hat geschrieben:
Honigdachs hat geschrieben: ... sollen sie aufeinander schiessen, wenn die Wuensche Andruchovytschs verwirklicht werden wuerden?
Dieser Kommentar ist aus meiner Sicht ausgesprochen unsachlich ... /quote]
Warum unsachlich? Kannst du diese Meinung begruenden? Ich bleibe dabei: Ich halte die Forderung nach der Spaltung der Ukraine fuer abenteuerlich, gefaehrlich, demagogisch, verlogen, realitaetsfern.
[...]
Ich bitte dich, um der Sache willen, JEDE MEINUNG zu begruenden, nicht bloss stimmungsmaessig ein Gefuehl zu aeussern.
Ich hatte das bereits getan, und zwar hier:
mbert hat geschrieben:
Honigdachs hat geschrieben: mbert, wie würdest du denn die Spaltungsfantasie Andruchovytschs bezeichnen?
Konkrete Frage, darauf gebe ich gern eine konkrete Antwort. Ich persönlich halte das für eine Provokation.
Der Hintergrund ist eine unendliche Frustration, die in der Westukraine schon seit einer ganzen Weile herrscht.
Nach den Wahlen 2010 haben die Regionalen ordentlich "Rache" genommen, die westukrainischen Oblaste bluten einerseits finanziell aus, andererseits werden "Statthalter" aus dem Osten importiert, die in Verwaltung, Politik und auch in Privatwirtschaft mehr und mehr die Kontrolle an sich reißen. Das ganze geht einher mit einem System, in dem immer mehr die Zügel angezogen werden, wo einfach deutlich wird, dass es sehr schwer bis unmöglich wird, die Donetsker Gangster aus Kyiv wieder zu vertreiben.

In meinem Bekanntenkreis denken buchstäblich fast alle an Auswanderung, weil sie es einfach nicht mehr aushalten. Andruchovytsch konstatiert in erster Linie, dass es - aus seiner Sicht - sehr schwer wird, einen gemeinsamen Nenner zu finden, zu sehr ist der Donbass unter der Kontrolle jener Leute. Und er formuliert, was manche schon denken: "wenn es mit denen nicht geht, dann vielleicht ohne die?" Ich bin nicht dieser Meinung. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er das auch nicht ernst meint, denn er ist viel zu intelligent, um zu glauben, dass so etwas praktisch überhaupt durchführbar wäre. Er ist auch kein Politiker, sondern ein Literat und Intellektueller. Gerade für ihn als Vertreter der Postmoderne ist eine Beschäftigung mit dem Absurden und Provokation etwas völlig normales. Vom intellektuellen Diskurs zur Realpolitik ist der Weg weit, und das ist auch gut so.
Leider hattest Du das nicht weiter kommentiert, aber das kannst Du ja noch nachholen.
Honigdachs hat geschrieben:Bitte denke drei Schritte weiter! Kiew - das neue Jerusalem? Ukrainisch-russische Partnerschaften trennen? Aufteilung des Landes nach voelkischen, Blut-und-Boden-Kriterien? Ukraine in die NATO, wie Julia T. es wollte? Dann muessten die beiden leiblichen Brueder ihre Raketen aufeinander richten!
Dazu mehrere Gedanken:

Es ist kaum 100 Jahre her, dass Ukrainer sich in verfeindeten Armeen gegenüber standen. Niemand will so etwas wieder erleben, und mit Sicherheit auch nicht Andruchovytsch.

Völkische Blut-und-Boden-Kriterien werden von manchen immer wieder gern den "orangenen" politischen Kräften unterstellt. So etwas spielt aber weder innerhalb dieser Parteien, noch innerhalb des ukrainischen Volkes eine nennenswerte Rolle. Man könnte jetzt darüber diskutieren, warum so viele Leute Swoboda gewählt haben, aber das ist ja auch schon ein Thema für sich (wir hatten das Thema unter Alte und neue Extremisten schon diskutiert, da wäre u.U. ein geeigneter Ort). Fakt ist, dass das Thema in der Ukraine nicht auf der Tagesordnung steht.

Ob die Ukraine mal Nato-Mitglied wird, ist in meinen Augen völlig offen, das hängt ja vor allem davon ab, was die Ukrainer wollen. Ich sehe auch nicht, dass ein Nato-Mitglied Ukraine dazu führen müsste, die Waffen auf Russland zu richten. Nach meiner persönlichen Auffassung darf das auch kein Ausschluss-Kriterium sein, da aus meiner Sicht ein souveränes Land das Recht haben muss, seine eigenen Entscheidungen zu treffen. Übrigens hat die Ukraine auch andere Brüder in der Nachbarschaft - Polen und die Slowakei welche ja bereits Nato-Mitglied sind, sind mit der Ukraine verwandtschaftlich und politisch nicht weniger verbunden. Letzten Endes sollten aus meiner Sicht die Menschen überhaupt mal dieses antiquierte Lagerdenken Ost gegen West aufgeben. Aber das nur am Rande...
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Honigdachs »

Handrij hat geschrieben: Die EU sollte übrigens endlich mal dieses olle Assoziierungsabkommen unterzeichnen. Die Ratifizierung kann dann ja nach Janukowitsch stattfinden, aber Janukowitsch hin oder her: hier gibt es keine massenhafte Folter, hier werden nicht ständig Journalisten getötet und hier wird nicht Krieg gegen die eigene Bevölkerung geführt, wie in dem NATO-Mitgliedsstaat, dem EU-Beitrittskandidaten Türkei.
Wenn sie es mit ihrem Gemoser ernst meinen würden, hätten sie endlich die Visafreiheit eingeführt und Janukowitsch & Co. auf die schwarze Liste gesetzt.
Vielleicht liest jemand die Newsletter vom MdEP Werner Schulz, der schrieb gestern Folgendes:
"Proeuropäische Kräfte in der Ukraine stärken -
Wir begrüßen die Entscheidung der EU-Außenminister, am Ziel einer weiteren Annäherung des Landes an die EU festzuhalten, obwohl die ukrainische Regierung die Chance verpasst hat ihre Demokratiefähigkeit durch freie und faire Wahlen unter Beweis zu stellen. Denn das wichtigste Ergebnis der Parlamentswahlen vom 28. Oktober 12 ist das Votum der Ukrainerinnen und Ukrainer, die für mehr und nicht weniger Europa gestimmt haben. Die proeuropäischen Kräfte des Landes brauchen daher unsere volle Unterstützung.
Es ist ein gutes Signal, dass die EU die Aussicht auf einen Abschluss des Assoziierungsabkommens aufrechterhält. Abstriche an europäischen Standards und Werten darf es dabei keinesfalls geben. Das wäre eine Einladung an Janukowitsch & Co, das Land weiter für die Interessen einer korrupten Elite zu missbrauchen. Darüber hinaus braucht es jedoch noch weitere Anstrengungen der EU, um die ukrainische Regierung in kleinen Schritten zu Reformen in Richtung Europa zu bewegen, etwa durch die breitere Einbindung in EU-Austausch- und Kooperationsprogramme und eine bessere Kommunikation mit den ukrainischen Bürgerinnen und Bürgern.
Wir hoffen, dass die gestärkten oppositionellen Kräfte im neuen ukrainischen Parlament ihren Einfluss nutzen, um die ukrainischen Regierung zu einer pro-europäischen Reformpolitik zum Wohle des Landes und seiner Bürger zu bewegen. Das Europaparlament wird die Entwicklung in der Ukraine mit einem kritischen und konstruktiven Dialog begleiten.
Beschlussfassung der EU-Außenminister zur Ukraine vom 10. Dezember 12"
Also: Es koennte sein, dass sich auch in der EU die Vernunft durchsetzt! Die Ukraine gehoert zu Europa! Das Assoziierungsabkommens soll abgeschlossen werden. Unabhaengig davon, welcher Bandit die Regierung in Kiew leitet.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Honigdachs »

eurojoseph hat geschrieben: ich denk unser Freund Anduchowitsch hat doch recht....lasst doch Donetzk, Charkiv und die Krim im russischen Sumpf versinken, Saporishsha (auch wenn es weh tut - der Sich) notfalls auch - und die westorientierten auf Richtung EU.....Wir können dort nix gewinnen, wir haben dort auch nix verloren....
Russkie Mir ist einfach zu asiatisch, zu kriecherisch, zu byzantinisch ....Wundbrand verlangt halt manchmal nach Amputation - und den russischen "Stolz" Odessa könnte man ja zur Not gegen die Krim abtauschen ....und dann gleich das bexxxissene Denkmal der "grossen" Katharina im Meer versenken....
welch ein trauriges Wahlergebnis, welch ein Dreck ...
eurojoseph! welch herrliche provokation! du wilder fanatiker, wie stellst du dir die ABSPALTUNG vor? wo soll die spaltung erfolgen? die sprachgrenzen sind fliessend, die kulturellen grenzen ebenso. die grenzen verlaufen durch millionen familien! wer bekommt kiew? noch einmal meine frage: wollt ihr kriegshetzer ein neues jerusalem?
warst du jemals im donbass? weisst du, wie viele griechen, italiener (!), juden, aserbaidschainer, tschetschenen dort leben? charkiw soll im sumpf versinken? kennst du den oblast? da gibt es viele siedlungen, in denen mehrheitlich ukrainisch gesprochen wird. viele echte ukrainische patrioten! auch viele "russische ukrainer" sind froh, nicht in russland zu leben, ihre soehne nicht nach tschetschenien schicken zu muessen.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Honigdachs »

Handrij hat geschrieben: hier gibt es keine massenhafte Folter, hier werden nicht ständig Journalisten getötet und hier wird nicht Krieg gegen die eigene Bevölkerung geführt, wie in dem NATO-Mitgliedsstaat, dem EU-Beitrittskandidaten Türkei.
Wenn sie es mit ihrem Gemoser ernst meinen würden, hätten sie endlich die Visafreiheit eingeführt und Janukowitsch & Co. auf die schwarze Liste gesetzt. Ich hab eher den Eindruck, dass man nur immer wieder neue Vorwände sucht, um die Ukrainer draußenzuhalten.
genau richtig. stichwort doppelte standards. so viel verlogenheit in der politik! und immer auf kosten von millionen menschen. wenn man die eu-buerokratie naeher kennt, kann man nur zu der schlussfolgerung kommen: dur dom! 20 beamte, jeder mit monatseinkommen von 8000 euro, entscheiden ueber das schicksal von 45 millionen ukrainern. wahrhaft ein bizarrer romanstoff. entfremdung total!

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von Honigdachs »

mbert hat geschrieben: Völkische Blut-und-Boden-Kriterien werden von manchen immer wieder gern den "orangenen" politischen Kräften unterstellt. So etwas spielt aber weder innerhalb dieser Parteien, noch innerhalb des ukrainischen Volkes eine nennenswerte Rolle.
ich jedenfalls unterstelle den "orangenen" politischen Kräften keine voelkischen kriterien. weil ich die nicht alle kenne. aber der wunsch nach spaltung der ukraine ist m.e. nur mit hilfe von voelkischen kriterien durchfuehrbar.
2 gegensaetzliche tendenzen: globalisierung vs. jedem volk seinem eigenen staat. siehe spanien, basken, gb schotten, belgien ... wo soll das hinfuehren? im interesse der mehrheit der menschen kann es nicht sein.
mbert hat geschrieben: Ich sehe auch nicht, dass ein Nato-Mitglied Ukraine dazu führen müsste, die Waffen auf Russland zu richten.

na, dann schau doch mal ins baltikum! usa-raketen, angeblich gegen iran, tatsaechlich gegen russland gerichtet.
mbert hat geschrieben: Nach meiner persönlichen Auffassung darf das auch kein Ausschluss-Kriterium sein, da aus meiner Sicht ein souveränes Land das Recht haben muss, seine eigenen Entscheidungen zu treffen.

einverstanden. gott sei dank (slava bogu!) wollte die mehrheit der ukrainer auch unter julia t.'s herrschaft nicht in die nato.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Honigdachs »

mbert hat geschrieben: Was Andruchovytsch betrifft, halte ich es mit - ich glaube - Dubinjanskij, der in einer Kolumne mal diese Idee mit einer Ehescheidung verglich und Szenarien ausmalte, wie so etwas praktisch aussehen könnte. Ich will dabei nicht ins Detail gehen, aber jeder möge das in Gedanken selber mal durchgehen und sicherlich zu dem Schluss kommen, dass so etwas (a) nicht harmonisch verlaufen würde und (b) ein erbitterter Zank um das Tafelsilber stattfinden würde. Keiner will das.
bitte, mbert, geh doch mal ins detail! bitte beschreibe mir, wie diese wahnwitzige idee in die praxis umgesetzt werden soll! ehescheidung, mein gott, welch harmloser begriff. so etwas wuerde nicht harmonisch verlaufen, sagst du, und doch findest du die idee Andruchovytschs gut? der lohn waere hoeher als der preis? das glaube ich nicht.

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von mbert »

Honigdachs hat geschrieben:aber der wunsch nach spaltung der ukraine ist m.e. nur mit hilfe von voelkischen kriterien durchfuehrbar.
Das sehe ich (a) nicht so, und (b) hatte ich ja in dem Teil, auf den Du nicht eingehst, ausgeführt, dass ich das Ganze für kein konkretes, ernsthaft beabsichtigtes Vorhaben halte, sondern eher für ein provokantes Gedankenspiel. Es hat sehr viel mit der derzeitigen Stimmung im Westen der Ukraine zu tun, die - wie ja auch weiter oben von mir und anderen beschrieben wurde, derzeit sehr schlecht ist, manche würden sogar "explosiv" sagen.
Honigdachs hat geschrieben:
mbert hat geschrieben: Ich sehe auch nicht, dass ein Nato-Mitglied Ukraine dazu führen müsste, die Waffen auf Russland zu richten.
na, dann schau doch mal ins baltikum! usa-raketen, angeblich gegen iran, tatsaechlich gegen russland gerichtet.
Das "angeblich" ist in diesem Zusammenhang interessant. In diesem ganzen Kontext werden eigentlich dauernd Unterstellungen verbreitet, die von manchen Leuten als Fakt betrachtet werden. Ich mag mich zu dem Thema auch nicht weiter äußern, ich möchte aber allgemein zu bedenken geben, dass eine Verschlechterung des Verhältnisses zwischen Russland und den USA mit Sicherheit nicht die Schuld einer Seite allein ist, weiterhin, dass sie eigentlich - zumindest was das Militärische betrifft - unnötig hochgespielt wird. Beide Seiten haben ein Interesse daran, Stärke zu zeigen, und beide haben kein Interesse daran, aufeinander zu schießen. Aber auch das ist wieder einmal ein Thema für sich, was aber auch strenggenommen mit der Ukraine nicht viel zu tun hat.
mbert hat geschrieben:einverstanden. gott sei dank (slava bogu!) wollte die mehrheit der ukrainer auch unter julia t.'s herrschaft nicht in die nato.
Da kann man jeder beliebigen Meinung zu sein. Es bleibt nur zu konstatieren, dass das, was eine Mehrheit beschließt (so der Prozess dann wenigstens einigermaßen demokratisch ist), zu akzeptieren ist. Eine Nato-Mitgliedschaft als "Kriegserklärung" gegen Russland zu verteufeln ist m.E. nicht angebracht, denn die Ukraine hat nicht die Absicht, gegen irgendjemanden Krieg zu führen, und Russland muss wie die USA auch die Rechte anderer Länder auf eine souveräne Politik anerkennen. Dass das in beiden Fällen in der Praxis nicht so ganz hinhaut, ist zwar leider wahr, ändert aber nichts am Prinzip. Aber auch hier schon wieder viel zu viel O2 verbrannt für ein Thema, das eigentlich OT ist :)
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Honigdachs hat geschrieben:bitte, mbert, geh doch mal ins detail! bitte beschreibe mir, wie diese wahnwitzige idee in die praxis umgesetzt werden soll! ehescheidung, mein gott, welch harmloser begriff. so etwas wuerde nicht harmonisch verlaufen, sagst du, und doch findest du die idee Andruchovytschs gut? der lohn waere hoeher als der preis? das glaube ich nicht.
OK, und abermals zitiere ich mich selber und das, worauf Du immer noch nicht eingegangen bist:
mbert hat geschrieben:
Honigdachs hat geschrieben: mbert, wie würdest du denn die Spaltungsfantasie Andruchovytschs bezeichnen?
Konkrete Frage, darauf gebe ich gern eine konkrete Antwort. Ich persönlich halte das für eine Provokation.
Der Hintergrund ist eine unendliche Frustration, die in der Westukraine schon seit einer ganzen Weile herrscht.
Nach den Wahlen 2010 haben die Regionalen ordentlich "Rache" genommen, die westukrainischen Oblaste bluten einerseits finanziell aus, andererseits werden "Statthalter" aus dem Osten importiert, die in Verwaltung, Politik und auch in Privatwirtschaft mehr und mehr die Kontrolle an sich reißen. Das ganze geht einher mit einem System, in dem immer mehr die Zügel angezogen werden, wo einfach deutlich wird, dass es sehr schwer bis unmöglich wird, die Donetsker Gangster aus Kyiv wieder zu vertreiben.

In meinem Bekanntenkreis denken buchstäblich fast alle an Auswanderung, weil sie es einfach nicht mehr aushalten. Andruchovytsch konstatiert in erster Linie, dass es - aus seiner Sicht - sehr schwer wird, einen gemeinsamen Nenner zu finden, zu sehr ist der Donbass unter der Kontrolle jener Leute. Und er formuliert, was manche schon denken: "wenn es mit denen nicht geht, dann vielleicht ohne die?" Ich bin nicht dieser Meinung. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass er das auch nicht ernst meint, denn er ist viel zu intelligent, um zu glauben, dass so etwas praktisch überhaupt durchführbar wäre. Er ist auch kein Politiker, sondern ein Literat und Intellektueller. Gerade für ihn als Vertreter der Postmoderne ist eine Beschäftigung mit dem Absurden und Provokation etwas völlig normales. Vom intellektuellen Diskurs zur Realpolitik ist der Weg weit, und das ist auch gut so.
Was ich persönlich darüber denke, habe ich doch auch schon mehrmals ausführlich dargelegt. Ich habe noch einmal den Link zu dem Dubinjanskij-Artikel herausgekramt, der sagt eigentlich ziemlich exakt das gleiche, was ich zu dem Thema denke: Die goldene Mitte:
Heute ist das Gerede von der unausweichlichen Teilung nur die Phantasie nervöser Intelligenzler, die über den pro-russischen Politiker Janukowitsch empört sind. Aber leider erkämpfen sich marginale Ideen in unserem Land mit beneidenswerter Leichtigkeit und Geschwindigkeit gesellschaftliche Anerkennung.

So waren die Heroisierung Stepan Banderas oder ein Denkmal für den Genossen Stalin in Saporoschje vor fünf Jahren noch schwer denkbar. Und es ist sehr wahrscheinlich, dass der spalterische Trend in naher Zukunft von ambitionierten Politikern, die nach Macht dürsten und keine anderen Mittel finden, aufgegriffen wird.
Er fasst es auch schön in Worte: "Phantasie nervöser Intelligenzler". Ich kann verstehen, wo solche Gedanken her kommen, es ist nicht einmal gesagt, ob es wirklich ernst gemeint ist, ernst nehmen muss man es im wörtlichen Sinne auch nicht.

Es bleibt dabei doch eine Erkenntnis: Für jede Regierung der Ukraine ist es ein wahrhafter Spagat, nicht entweder das östliche oder das westliche Ende des Landes massiv gegen sich aufzubringen. Solange Parteien das als Hebel missbrauchen, um sich in der einen oder anderen Ecke eine "stabile" Mehrheit zu sichern, ist letztlich eine Destabilisierung des Landes die Folge. Das ist die wahre Gefahr, die dem inneren Frieden des Landes droht, nicht die Gedankenspiele eines frustrierten Intellektuellen.
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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von Honigdachs »

mbert hat geschrieben: Andruchovytsch ... ist auch kein Politiker, sondern ein Literat und Intellektueller. Gerade für ihn als Vertreter der Postmoderne ist eine Beschäftigung mit dem Absurden und Provokation etwas völlig Normales. Leider hattest Du das nicht weiter kommentiert, aber das kannst Du ja noch nachholen.
Vielleicht wuerde es sich wirklich lohnen, ueber Aesthetik und moderne Literatur zu diskutieren. Aber wenn ich mich politisch aeussere, muss ich auch akzeptieren, dass meine Aeusserungen nicht bloss als Bloedelei wahrgenommen werden. Nach dem Motto: "Haha, ich habe ja keine Verantwortung, ich will bloss spielen, euch die Nasen kitzeln!" Sehr witzig.
Der Begriff Postmoderne ist mittlerweile so stark diskreditiert wie der Begriff authentisch. Zu recht, da sich schon die angeblichen Postmodernen gegen diese Kasteiung gewehrt haben. Zitat Michel Foucault: "Ich habe es in ihre winzigen Koepfe nicht hineinkriegen koennen, dass ich kein Postmoderner bin." (siehe "Ordnung der Dinge") Denn dieser Begriff ist hohl. Als modern empfindet sich jede Zeit. Und jede nachfolgende Generation will moderner sein als die vorherige. Insofern war jeder denkende Mensch mal ein Avantgardist, Epikur wie Jesus Christus, Lautréamont wie Friedrich Nietzsche, Moralist Habermas wie David Graeber. -
Die Beschaeftigung mit dem Absurden ist so alt wie die Menschheit.
Dass Andruchovytsch sich das Wort "Postmoderner" auf die Stirn klebt, zeigt nur, dass er westlichen Moden hinterherlaeuft.

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von mbert »

Honigdachs hat geschrieben: Vielleicht wuerde es sich wirklich lohnen, ueber Aesthetik und moderne Literatur zu diskutieren. Aber wenn ich mich politisch aeussere, muss ich auch akzeptieren, dass meine Aeusserungen nicht bloss als Bloedelei wahrgenommen werden. Nach dem Motto: "Haha, ich habe ja keine Verantwortung, ich will bloss spielen, euch die Nasen kitzeln!" Sehr witzig.
Andruchovytsch muss sich zweifellos dem stellen, dass manche diese Aussagen diskutieren oder gar ernst nehmen. Aber mehr muss dazu nun wirklich nicht machen, und ihn als "Demagogen" zu bezeichnen, wird ihm im Gesamten absolut nicht gerecht.

Autoren haben schon viel Dummes gesagt, wenn sie sich politisch artikulierten. Ich denke mal an Sabuschko, die meinte, man müsse 2010 "gegen alle" stimmen und sich damit dem Kreis derer angeschlossen hat, die durch ihre Stimmenthaltungen und "gegen alle" Stimmen direkt zur Wahl Janukovytschs beigetragen hat. Dennoch ist sie natürlich nicht mehr dafür verantwortlich als alle anderen, die sich derartig verhielten. Die Liste eher unqualifizierter politischer Äußerungen von Autoren lässt sich noch lange fortführen, nicht nur in der Ukraine, auch wir in Deutschland haben mehr als genug davon. Man muss sich klar machen, dass ein Autor nicht die Aufgabe hat, Politik zu machen, höchstens die, durch meinetwegen auch mal provokante oder auch nur einfach Dumme Aussagen Denkanstöße zu geben. Das ist gut so, und es ist kein Grund, einen Autor dafür zu dämonisieren. Es reicht, anderer Meinung zu sein.
Honigdachs hat geschrieben:Dass Andruchovytsch sich das Wort "Postmoderner" auf die Stirn klebt, zeigt nur, dass er westlichen Moden hinterherlaeuft.
Tut er das selber? Ich höre das eigentlich nur von den anderen. Abgesehen davon ist Andruchovytsch zweifellos ein Vertreter der klassischen Postmoderne in der Tradition der Vorreiter vergangener Jahrzehnte wie z.B. Thomas Pynchon. Man muss ihn nicht mögen, aber die Klassifizierung als solche finde ich vollkommen unstrittig.

Für "Mode" ist das übrigens alles schon ein bisschen zu alt. Und was der "westlich"-Vorwurf soll, kann nicht nicht verstehen. Die Ukraine ist ein europäisches Land. Andruchovytschs Heimat ist über 900 Jahre bis auf 1939-1990 ein Teil Zentraleuropas gewesen. Gibt es da irgendeinen Zwang, dass man als Ukrainer "östlich" sein müsse?
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von Honigdachs »

mbert hat geschrieben: Abgesehen davon ist Andruchovytsch zweifellos ein Vertreter der klassischen Postmoderne in der Tradition der Vorreiter vergangener Jahrzehnte wie z.B. Thomas Pynchon. Man muss ihn nicht mögen, aber die Klassifizierung als solche finde ich vollkommen unstrittig.
Wieso? Schaffen wir das, das hier abzuhandeln? Ich fuerchte, nein. Mir fehlt die Zeit. Zwischen Pynchons und Andruchovytschs Werk sehe ich keine Gemeinsamkeiten. Das letzte Buch, das ich von Andruchovytsch las - Titel leider vergessen, Bibliothek 1500 km entfernt - war biedere Mittelstandsprosa. 3. Aufguss deutscher Romantik, Herausgeber-Fantasien a' la Ingo Schulze.
Tut mir leid, habe nicht mehr Zeit, als fuer diese Stichworte.
mbert hat geschrieben: Und was der "westlich"-Vorwurf soll, kann nicht nicht verstehen.
"Westlich" war kein Vorwurf. Aber die Postmoderne ist nun einmal - als Begriff wie als Erscheinung - im Westen kreiert worden. Unter Kennern, zumindest unter solchen, die ich schaetze, gilt der Begriff seit 20 Jahren als ueberholt.
mbert hat geschrieben: Die Ukraine ist ein europäisches Land. Andruchovytschs Heimat ist über 900 Jahre bis auf 1939-1990 ein Teil Zentraleuropas gewesen. Gibt es da irgendeinen Zwang, dass man als Ukrainer "östlich" sein müsse?
So alt ist der Mann schon? {-%

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von mbert »

Honigdachs hat geschrieben:Zwischen Pynchons und Andruchovytschs Werk sehe ich keine Gemeinsamkeiten.
Beispiel "Perversion", enthält haufenweise typische Elemente. Aber ich gehe mit Dir konform, das ist hier eigentlich themenfremd, wäre aber u.U. ein eigenes Thema hier im Forum wert. Über ukrainische Lyrik und Prosa haben wir hier bisher viel zu wenig diskutiert (ich bin mir nicht mal so richtig sicher, wer sich hier sonst noch dafür interessiert).
Honigdachs hat geschrieben:3. Aufguss deutscher Romantik, Herausgeber-Fantasien a' la Ingo Schulze.
Darin erkenne ich nichts wieder, was ich bim Lesen seiner Bücher empfunden habe. Gerade romantisch finde ich ja seine Werke nicht. Weniger radikal als etwa Zhadan, aber sicher nicht romantisch.
Honigdachs hat geschrieben:Unter Kennern, zumindest unter solchen, die ich schaetze, gilt der Begriff seit 20 Jahren als ueberholt.
Finde ich in diesem Zusammenhang eher irrelevant. Es geht ja darum, einen Autor irgendwie sinnvoll einzuordnen (soweit das bei Kunst/Literatur/Musik überhaupt sinnvoll möglich ist, aber da wären wir wieder bei den Stereotypen), und ich halte den Begriff in seinem Fall für korrekt, nicht mehr und nicht weniger.
Honigdachs hat geschrieben:
mbert hat geschrieben: Die Ukraine ist ein europäisches Land. Andruchovytschs Heimat ist über 900 Jahre bis auf 1939-1990 ein Teil Zentraleuropas gewesen. Gibt es da irgendeinen Zwang, dass man als Ukrainer "östlich" sein müsse?
So alt ist der Mann schon? {-%
Damit wären wir wieder beim Thema Westukraine. Die westukrainische Intelligenzia betrachtet sich ganz entschieden als einen Teil Zentraleuropas und ihr Schaffen im Kontext der zentraleuropäischen Kultur. Das ist so eine Art kollektive Selbstwahrnehmung, die von Generation an Generation weitergegeben wird. Und Künstler wie z.B. Andruchovytsch sind in dieser Selbsteinordnung sehr explizit. Ich bin etwas erstaunt, dass Du, der so viel durch das Land gereist ist, so etwas nicht mit Selbstverständlichkeit parat hast.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Ukraine - Russland = Individualismus - Kollektivismus?

Beitrag von Honigdachs »

mbert hat geschrieben:
Honigdachs hat geschrieben:Zwischen Pynchons und Andruchovytschs Werk sehe ich keine Gemeinsamkeiten.
Beispiel "Perversion", enthält haufenweise typische Elemente. Über ukrainische Lyrik und Prosa haben wir hier bisher viel zu wenig diskutiert.
Interessant. Ja, ueber ukrainische Lyrik und Prosa wuerde ich viel lieber reden als ueber polit. Fragen.
Honigdachs hat geschrieben:3. Aufguss deutscher Romantik, Herausgeber-Fantasien a' la Ingo Schulze.
mbert hat geschrieben: Darin erkenne ich nichts wieder, was ich bim Lesen seiner Bücher empfunden habe. Gerade romantisch finde ich ja seine Werke nicht. Weniger radikal als etwa Zhadan, aber sicher nicht romantisch.
Das Spiel mit der Herausgeberschaft ist zutiefst romantisch und m.E. ueberholt - alter Eimer fuer neuen Wein.
Honigdachs hat geschrieben:Unter Kennern, zumindest unter solchen, die ich schaetze, gilt der Begriff seit 20 Jahren als ueberholt.
mbert hat geschrieben:Finde ich in diesem Zusammenhang eher irrelevant. Es geht ja darum, einen Autor irgendwie sinnvoll einzuordnen (soweit das bei Kunst/Literatur/Musik überhaupt sinnvoll möglich ist, aber da wären wir wieder bei den Stereotypen), und ich halte den Begriff in seinem Fall für korrekt, nicht mehr und nicht weniger.
Ja, ist bisschen irrelevant. Einverstanden. Aber gerade gegen das Einordnen wehrt man sich als Schoepfer, der ich nun mal auch bin.
Honigdachs hat geschrieben:
mbert hat geschrieben: Die Ukraine ist ein europäisches Land. Andruchovytschs Heimat ist über 900 Jahre bis auf 1939-1990 ein Teil Zentraleuropas gewesen. Gibt es da irgendeinen Zwang, dass man als Ukrainer "östlich" sein müsse?
So alt ist der Mann schon? {-%
mbert hat geschrieben:Damit wären wir wieder beim Thema Westukraine. Die westukrainische Intelligenzia betrachtet sich ganz entschieden als einen Teil Zentraleuropas und ihr Schaffen im Kontext der zentraleuropäischen Kultur. Das ist so eine Art kollektive Selbstwahrnehmung, die von Generation an Generation weitergegeben wird. Und Künstler wie z.B. Andruchovytsch sind in dieser Selbsteinordnung sehr explizit. Ich bin etwas erstaunt, dass Du, der so viel durch das Land gereist ist, so etwas nicht mit Selbstverständlichkeit parat hast.
Das war natuerlich ein Scherz. Das habe ich schon parat. Lemberg, k.u.k. Monarchie, lange litauisch-polnisch. Das ist doch ein zweites Wien! war mein erster Eindruck vor Jahren. Unglaubliche Stadt, wuenderschoen, und Gott sei Dank kaum Kriegsschaeden im Zentrum, was mich immer wieder erstaunt. Ich kann da nur mit staunenden Augen durchgehen. Wunderschoene Galerien, geniale Ausstellungen, modernes Theater, schoene Oper. Eine Perle, diese Stadt. Und die vielen Studenten! Ach, und die Schachspieler - die ich in allen Staedten suche, unter denen ich am Schnellsten heimisch werde. Habe schon viele dt. Freunde bekniet, nach Lwiw zu fahren. Habe da mit einem "Verdienten Schriftsteller des Volkes" Bierchen getrunken.
Czernowitz auch interessant - Paul Celan. Natuerlich Landstrich mit europ. Hochkultur. Natuerlich tragisch, dass man da heute vor der "polnischen"-EU-Tuer steht und die verschlossen ist. - Etwas weniger tragisch auf oestlicher Seite, von Donezk aus kommt man leichter nach Rostow-na-Donu, als von Lwiw nach Warschau. Aber die Donbasser wuerden ja auch gerne nach "Europa". Ach, Mist, wieder Politik.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Ich habe gerade auf UN den Artikel Wer sind hier die Spalter? gelesen und musste an diese Diskussion hier zurückdenken, vor allem an die Kontroverse um einige Äußerungen von Andruchovytsch.

Ich finde, der Artikel greift eigentlich genau das Thema, was wir hier hatten, sehr schön auf. Auch wenn man mit manchem nicht einverstanden sein braucht (ich bin es sicher nicht), enthält er doch einige bedenkenswerte Ansätze. Ich zitiere mal ein paar Absätze, die mir gut gefielen:
Die oben genannte Troika trägt also die ganze Verantwortung für alle unseren Schwierigkeiten. Vor allem Jurij Andruchowytsch, der vom Autor als eine Persönlichkeit charakterisiert wird, die gegen alles und alle auftritt. Es entsteht der Eindruck, als gäbe es keine Gedichte von Andruchowytsch, die in den unruhigen Übergangsjahren zwischen 1980-1990 von der progressiven Jugend breit zitiert wurden, keine Liedtexte, Romane etc., durch die Tausende von Lesern im Ausland die Ukraine, das Leben, die Hoffnungen und Leidenschaften ihrer Bürger für sich erst einmal entdeckt haben. Ein viel zu kurzes Gedächtnis haben einige Publizisten, um sich an die Konfrontation erinnern zu können, die Andruchowytsch gegen Verlage führte, die antiukrainische Artikel von Dmytro Tabatschnik publiziert hatten.

[...]

An den Schriften von glühenden Publizisten wie Herrn Lossjew, die kompromisslos gegen Spalter aller Ausprägungen ankämpfen, fällt es einem schnell auf, dass die Mehrheit der Argumente, mit denen sie ihre Stellung zu untermauern versuchen, in Wirklichkeit den Charakter eines Gegenarguments haben. Zum Beispiel schreibt der Autor:

„Von welcher Integrationsarbeit im Osten und Süden reden sie überhaupt! Nicht mal bei sich zu Hause in Galizien konnten sie in den vergangenen zwanzig Jahren etwas bewegen, weil vor Ort weiterhin eine zwar schleichende, aber sehr effektive Russifizierung anhält, jeder Sender russische Popmusik ausstrahlt, an allen Kiosken Stapel russischsprachiger Publikationen vorzufinden sind und die ukrainische Sprache nach meiner subjektiven Einschätzung weniger verbreitet ist, als dies zu sowjetischen Zeiten der Fall war.“


Ist diese Bemerkung begründet? Zweifelsohne. Welcher Schluss lässt sich daraus ziehen? Darf eine einzelne Oblast ihre eigene Kulturpolitik betreiben, darf sie Lizenzen für lokale Rundfunkfrequenzen vergeben? Wie sollen sich ukrainischsprachige Verlage verhalten, wenn der Staat ihnen nicht mal Steuererleichterungen gewähren will, was in Russland bereits seit Langem praktiziert wird? Eben. Die einzige ausgewogene Problemlösung hier wäre eine Übergabe aller einschlägigen Rechte in die Kompetenz der Regionen. „Das darf man auf keinen Fall machen!“ warnen aber Patrioten und die „unpatriotische Regierungspartei“ einstimmig.

[...]

Die ganze Situation ist im Grunde genommen sehr einfach: Befindet sich die Macht in den Händen von Ukrainischsprachigen, werden die Russischsprachigen sehr stark bedrängt, sobald die Macht in die Hände von Russischsprachigen fällt, bedrängen sie ihrerseits die Ukrainischsprachigen. Dies ist eben die Strategie zur nationalen Aussöhnung, für welche die glühenden patriotischen Publizisten eintreten. Nun stellt sich die Frage danach, wer hier der eigentliche Spalter ist?
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Sonnenblume »

Sorry, aber wie werden die Ukrainischsprachigen bedrängt?

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mbert
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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Sonnenblume hat geschrieben:Sorry, aber wie werden die Ukrainischsprachigen bedrängt?
Das ist eigentlich nicht die Aussage des Artikels. Hier ist die Übersetzung etwas unglücklich. Im Orignal steht hier noch folgendes:
Звичайно, якщо центральну владу репрезентуватимуть щирі патріоти, то можна було б українізацію забезпечити силою, через коліно. Очевидно, на це й покладають сподівання публіцисти-патріоти. Сам був свідком того, як у «світлої пам’яті» 2005 році члени Нацради з телебачення і радіомовлення бештали представника якоїсь локальної кримської (здається, керченської) телекомпанії за те, що в її ефірі замало українськомовних програм. Представник компанії перелякано намагався пояснити, мовляв українською там ніхто не балакає, що більше – мало хто її розуміє. Байдуже – партія сказала: треба!..

Тобто ситуація дуже проста: при владі українськомовні – ламають через коліно російськомовних, потім влада змінилася – і все навпаки. От такою і є стратегія національного примирення, яку плекають полум’яні публіцисти-патріоти. Хоча тоді виникає логічне запитання: хто ж тут дезінтегратор?
Wichtig ist in diesem Kontext das Wort "Тобто". Der letzte Absatz bezieht sich auf den vorhergegangenen (man beachte da auch die Formulierung: "Байдуже – партія сказала: треба!", die eine ironische Anspielung auf sowjetische Zeiten darstellt). Der letzte Absatz müsste etwas präziser so übersetzt werden:
Somit ist die Situation ganz einfach: Unter einer Regierung der Ukrainischsprachigen werden Russischsprachige übers Knie gelegt. Dann ändert sich die Regierung und alles geht genau umgekehrt weiter. Da sehen Sie die Strategie der nationalen Versöhnung, wie sie von diesen brennend patriotischen Publizisten gefördert wird. Nur da stellt sich doch eine logische Frage: Wer ist hier nun der Spalter?
In der Originalübersetzung ist leider die Ironie des Original weitgehend auf der Strecke geblieben. Der Autor hier zieht hier ziemlich originall Parallelen zur SU, wo es ja auch einen autoritär-zentralistischen Führungsstil gab, und sieht die Polemik gegen Andruchovytsch und co. ein wenig im Kontext einer Konservativität, die krampfhaft an einem alten Modell festhält und für die andere Sichtweisen schon an Hochverrat grenzen.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von UkraineInteressierter »

„Von welcher Integrationsarbeit im Osten und Süden reden sie überhaupt! Nicht mal bei sich zu Hause in Galizien konnten sie in den vergangenen zwanzig Jahren etwas bewegen, weil vor Ort weiterhin eine zwar schleichende, aber sehr effektive Russifizierung anhält, jeder Sender russische Popmusik ausstrahlt, an allen Kiosken Stapel russischsprachiger Publikationen vorzufinden sind und die ukrainische Sprache nach meiner subjektiven Einschätzung weniger verbreitet ist, als dies zu sowjetischen Zeiten der Fall war.“
Sorry, aber bei diesem Absatz kann ich nur den Kopf schütteln. Dass die ukrainische Sprache in den Medien heute weniger verbreitet ist, als dies in der Sowjetunion der Fall war, bezweifle ich zunächst einfach mal stark.

Man schaue einmal nach Deutschland. Wie viel deutschsprachige Musik hört man im Radio, wie hoch ist der Anteil englischsprachiger Musik? Ist es heute überhaupt noch möglich, in Deutschland eine Führungsposition ohne sehr gute Englischkenntnisse zu bekommen? Wie viele völlig sinnlose Anglizismen halten Einzug in unsere Sprache? Teilweise wird Englisch den Kindern heute schon im Kindergarten eingetrichtert. Wer kein Englisch spricht, wird ausgelacht.
Ist dies eine Anglisierung Deutschlands? Nein! Das ist die zwangsweise Folge einer globalisierten Welt. In den Niederlanden gibt es nur noch wenige Universitäten, in denen Vorlesungen auf Niederländisch gehalten werden. In Finnland werden selbst Kinderfilme im Fernsehen meist auf Englisch gezeigt.

Es wird einfach nie passieren, dass wissenschaftliche Fachliteratur, Filme oder Popmusik im großen Stil auf Ukrainisch veröffentlicht werden - dazu ist die Sprache, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, zu unbedeutend und zu "klein". Das hat überhaupt nichts mit schleichender Russifizierung zu tun. Eher mit Globalisierung und Marktwirtschaft. Die Vorstellungen des Autors von der gewünschten Rolle des Ukrainischen sind völlig weltfremd, solche Vorstellungen würde man in Deutschland als "von vorgestern" abstempeln.

Deutsch wird auch nie die Bedeutung von Englisch erreichen, und solange der Staat keine künstliche Volksverdummung betreibt, Englischkenntnisse aktiv bekämpft und das Land abschottet, werden die Leute hierzulande auch weiterhin englische Musik hören, englische Internetseiten lesen, etc. So ist das eben in der globalisierten Welt, in Deutschland, wie in der Ukraine.

Die Alternative dazu wäre höchstens, dass in Zukunft englische Popmusik im Radio trällert und englische Zeitungen am Kiosk ausliegen. Und was wäre der Vorteil davon? Eigentlich keiner, denn Russisch ist für die meisten Ukrainer auf Grund der sehr großen sprachlichen Ähnlichkeit viel leichter und schneller zu erlernen.


Die ganze Situation ist im Grunde genommen sehr einfach: Befindet sich die Macht in den Händen von Ukrainischsprachigen, werden die Russischsprachigen sehr stark bedrängt, sobald die Macht in die Hände von Russischsprachigen fällt, bedrängen sie ihrerseits die Ukrainischsprachigen.
Ganz meine Rede. Deswegen sollte meines Erachtens nach jede Region ihre Kulturpolitik selbst bestimmen und nicht die Zentralregierung in Kiew, denn die scheint, egal wer dort sitzt, keine Linie zu finden, mit der sich alle anfreunden können. Die kulturellen Bedürfnisse eines Donezkers sind nicht die selben wie die eines Lembergers.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Sonnenblume »

UkraineInteressierter hat geschrieben:
„Von welcher Integrationsarbeit im Osten und Süden reden sie überhaupt! Nicht mal bei sich zu Hause in Galizien konnten sie in den vergangenen zwanzig Jahren etwas bewegen, weil vor Ort weiterhin eine zwar schleichende, aber sehr effektive Russifizierung anhält, jeder Sender russische Popmusik ausstrahlt, an allen Kiosken Stapel russischsprachiger Publikationen vorzufinden sind und die ukrainische Sprache nach meiner subjektiven Einschätzung weniger verbreitet ist, als dies zu sowjetischen Zeiten der Fall war.“
Sorry, aber bei diesem Absatz kann ich nur den Kopf schütteln. Dass die ukrainische Sprache in den Medien heute weniger verbreitet ist, als dies in der Sowjetunion der Fall war, bezweifle ich zunächst einfach mal stark.

Man schaue einmal nach Deutschland. Wie viel deutschsprachige Musik hört man im Radio, wie hoch ist der Anteil englischsprachiger Musik? Ist es heute überhaupt noch möglich, in Deutschland eine Führungsposition ohne sehr gute Englischkenntnisse zu bekommen? Wie viele völlig sinnlose Anglizismen halten Einzug in unsere Sprache? Teilweise wird Englisch den Kindern heute schon im Kindergarten eingetrichtert. Wer kein Englisch spricht, wird ausgelacht.
Ist dies eine Anglisierung Deutschlands? Nein! Das ist die zwangsweise Folge einer globalisierten Welt. In den Niederlanden gibt es nur noch wenige Universitäten, in denen Vorlesungen auf Niederländisch gehalten werden. In Finnland werden selbst Kinderfilme im Fernsehen meist auf Englisch gezeigt.

Es wird einfach nie passieren, dass wissenschaftliche Fachliteratur, Filme oder Popmusik im großen Stil auf Ukrainisch veröffentlicht werden - dazu ist die Sprache, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, zu unbedeutend und zu "klein". Das hat überhaupt nichts mit schleichender Russifizierung zu tun. Eher mit Globalisierung und Marktwirtschaft. Die Vorstellungen des Autors von der gewünschten Rolle des Ukrainischen sind völlig weltfremd, solche Vorstellungen würde man in Deutschland als "von vorgestern" abstempeln.

Deutsch wird auch nie die Bedeutung von Englisch erreichen, und solange der Staat keine künstliche Volksverdummung betreibt, Englischkenntnisse aktiv bekämpft und das Land abschottet, werden die Leute hierzulande auch weiterhin englische Musik hören, englische Internetseiten lesen, etc. So ist das eben in der globalisierten Welt, in Deutschland, wie in der Ukraine.

Die Alternative dazu wäre höchstens, dass in Zukunft englische Popmusik im Radio trällert und englische Zeitungen am Kiosk ausliegen. Und was wäre der Vorteil davon? Eigentlich keiner, denn Russisch ist für die meisten Ukrainer auf Grund der sehr großen sprachlichen Ähnlichkeit viel leichter und schneller zu erlernen.
Das kann ich liken ;)

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Kurt Simmchen - galizier »

Ukraineinteressierter:
Deutsch wird auch nie die Bedeutung von Englisch erreichen, und solange der Staat keine künstliche Volksverdummung betreibt, Englischkenntnisse aktiv bekämpft und das Land abschottet, werden die Leute hierzulande auch weiterhin englische Musik hören, englische Internetseiten lesen, etc. So ist das eben in der globalisierten Welt, in Deutschland, wie in der Ukraine.

Wie immer so auch hier, Vergleiche hinken. der Unterschied liegt in der Aggressivität der russischen Ambitionen. Hat England schon mal die staatliche Souveränität Deutschland bedroht?

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Sonnenblume »

galizier hat geschrieben:Ukraineinteressierter:
Deutsch wird auch nie die Bedeutung von Englisch erreichen, und solange der Staat keine künstliche Volksverdummung betreibt, Englischkenntnisse aktiv bekämpft und das Land abschottet, werden die Leute hierzulande auch weiterhin englische Musik hören, englische Internetseiten lesen, etc. So ist das eben in der globalisierten Welt, in Deutschland, wie in der Ukraine.

Wie immer so auch hier, Vergleiche hinken. der Unterschied liegt in der Aggressivität der russischen Ambitionen. Hat England schon mal die staatliche Souveränität Deutschland bedroht?
Nee, England war nur Kolonialmacht. ;) Wie Deutschland auch.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

UkraineInteressierter hat geschrieben:
„Von welcher Integrationsarbeit im Osten und Süden reden sie überhaupt! Nicht mal bei sich zu Hause in Galizien konnten sie in den vergangenen zwanzig Jahren etwas bewegen, weil vor Ort weiterhin eine zwar schleichende, aber sehr effektive Russifizierung anhält, jeder Sender russische Popmusik ausstrahlt, an allen Kiosken Stapel russischsprachiger Publikationen vorzufinden sind und die ukrainische Sprache nach meiner subjektiven Einschätzung weniger verbreitet ist, als dies zu sowjetischen Zeiten der Fall war.“
Sorry, aber bei diesem Absatz kann ich nur den Kopf schütteln. Dass die ukrainische Sprache in den Medien heute weniger verbreitet ist, als dies in der Sowjetunion der Fall war, bezweifle ich zunächst einfach mal stark.
Es ist m.E. völlig irrelevant, ob sich die Verbreitung der ukrainischen Sprache gegenüber der sowjetischen Zeit geändert hat.
Die sowjetische Besatzung der Westukraine hat ja überhaupt erst die Russifizierung nach Galizien gebracht.

Ich muss mir hier ein wenig verkneifen, harte Worte zu wählen, eines sei mir in diesem Zusammenhang hoffentlich verziehen: mir drängt sich hier der Begriff "imperiale Indifferenz" auf...

In einem Gebiet (ich spreche hier ja nicht einmal über die gesamte Ukraine), in dem gefühlt 90% der Menschen sowohl zu hause als auch bei der Arbeit ukrainisch sprechen, findest Du also nichts schlimmes dabei, dass Radio und Printmedien russisch dominiert sind?

Diese Schieflage müsste in einer unabhängigen Ukraine eigentlich behoben sein. Sie ist es aber nicht. Daher kann ich über Dein Kopfschütteln selber nur den Kopf schütteln.
UkraineInteressierter hat geschrieben: Man schaue einmal nach Deutschland. Wie viel deutschsprachige Musik hört man im Radio, wie hoch ist der Anteil englischsprachiger Musik? Ist es heute überhaupt noch möglich, in Deutschland eine Führungsposition ohne sehr gute Englischkenntnisse zu bekommen? Wie viele völlig sinnlose Anglizismen halten Einzug in unsere Sprache? Teilweise wird Englisch den Kindern heute schon im Kindergarten eingetrichtert. Wer kein Englisch spricht, wird ausgelacht.
Ja, das ist eine schlimme Entwicklung. Ich habe aber auch das Gefühl, dass Menschen zusehends klarer wird, wie hohl eigentlich diese Denglisch-Phrasendrescherei oft ist. Nur hat das eigentlich mit dem Thema hier überhaupt nichts zu tun.
UkraineInteressierter hat geschrieben:Es wird einfach nie passieren, dass wissenschaftliche Fachliteratur, Filme oder Popmusik im großen Stil auf Ukrainisch veröffentlicht werden - dazu ist die Sprache, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, zu unbedeutend und zu "klein". Das hat überhaupt nichts mit schleichender Russifizierung zu tun. Eher mit Globalisierung und Marktwirtschaft. Die Vorstellungen des Autors von der gewünschten Rolle des Ukrainischen sind völlig weltfremd, solche Vorstellungen würde man in Deutschland als "von vorgestern" abstempeln.
Das hat sehr wohl mit Russifizierung zu tun. Du tust ja so, als sei es "natürlich", dass in der Ukraine russisch gesprochen wird. Verstehe mich nicht falsch, ich mach niemandem einen Vorwurf, dessen Muttersprache russisch ist, weil die Vorfahren aus Russland eingewandert waren oder sich haben russifizieren lassen. Aber Du kannst sicher sein, dass, wäre die Ukraine im 19. Jh. unabhängig gewesen, beispielsweise wissenschaftliche Fachliteratur (und entsprechend auch: ein entsprechendes Vokabular) gebildet hätte - weil das in jedem unabhängigen Land damals so üblich war. Die Verhältnisse in der Westukraine sind eine direkte Konsequenz einer Politik, in der die ukrainische Sprache und Kultur bis zu einem gewissen Grad geduldet wurde, aber immer einen leicht folkloristischen Anstrich bekam - das Machtzentrum war in Moskau, und man musste, wenn man im Reich irgendwie Karriere machen wollte, Russisch beherrschen.

Dieser Zustand ist vollkommen künstlich, und der Autor hat absolut recht, das zu monieren.
UkraineInteressierter hat geschrieben:
Die ganze Situation ist im Grunde genommen sehr einfach: Befindet sich die Macht in den Händen von Ukrainischsprachigen, werden die Russischsprachigen sehr stark bedrängt, sobald die Macht in die Hände von Russischsprachigen fällt, bedrängen sie ihrerseits die Ukrainischsprachigen.
Ganz meine Rede. Deswegen sollte meines Erachtens nach jede Region ihre Kulturpolitik selbst bestimmen und nicht die Zentralregierung in Kiew, denn die scheint, egal wer dort sitzt, keine Linie zu finden, mit der sich alle anfreunden können. Die kulturellen Bedürfnisse eines Donezkers sind nicht die selben wie die eines Lembergers.
Hast Du eigentlich den Artikel mal im Original gelesen? Wie gesagt, die feine Ironie wird in der Übersetzung nicht so richtig deutlich.

Ich bin grundsätzlich auch der Meinung, dass eine föderale Struktur ihre Vorteile hat. Und sicher hat ein Donetsker andere Vorlieben und Bedürfnisse als ein Lviver. Aber wo wir das Thema Sprache und Geschichte streifen - der Donbass ist eben nicht "von Natur aus Russisch", wie viele Russophonen es immer wieder gern behaupten. Die dicht besiedelten Städte sind seinerzeit wie Fremdkörper in die seit Jahrhunderten von Ukrainern besiedelte Steppe implantiert worden. Der Donbass ist nicht "russisch", sondern bis heute gemischt besiedelt. Hast Du Dir mal Gedanken gemacht, warum ein Serhij Zhadan auf ukrainisch schreibt und nicht auf russisch? Warum Juschchenko's Muttersprache ukrainisch ist und nicht russisch? Gerade die russisch besiedelten Städte im Donbass sind ein ziemlich gutes Beispiel für eine starke Russifizierung, die von von Russophonen gern abgestritten wird: die überwiegend russischen Arbeiter, die in der Gründungsphase von Städten wie z.B. Donetsk dort angesiedelt wurden, weigerten sich, die Sprache der Ortsansässigen zu sprechen, da die eigene Sprache als "höherwertig" angesehen wurde. Wer sich in den Städten ansiedelt, steht bis heute unter starkem Russifzierungsdruck. Ich erinnere mich in dem Zusammenhang an die Erzählung einer mir bekannten Westukrainerin, die in Donetsk, wenn sie dort mit Menschen ukrainisch sprach, oft Reaktionen erntete, wo Leute mit Freude ukrainisch antworteten und erzählten, dass "man" das in der Stadt normalerweise nicht tue, da das oft zu negativen Reaktionen führe.

Was mich bei den "Kämpfern für russophone Gleichberechtigung" in der Ukraine sehr stört, ist das Fehlen einer Verhältnismäßigkeit: die russische Sprache hat jenseits von jedweden Gesetzen in der Ukraine eine Stellung, die viel privilegierter ist, als der Anteil ihrer Sprecher. Angesprochen auf Dinge wie Medien (siehe oben) kommt sofort das Argument der "Marktwirtschaft". Die Notwendigkeit, die Staatssprache zu beherrschen oder ihr einen einer Staatssprache angemessenen Status zu geben, wird mit Argumenten wie "Globalisierung" oder gar mit der Forderung einer zweiten Staatssprache abgetan. Ich würde gern mal Deinen Protest hier lesen, sollten Russophone "ihren" Teilen der Ukraine mal mit Situationen ähnlich der oben beschriebenen in der Westukraine - und den entsprechenden Rechtfertigungsargumenten - konfrontiert sein.

Die Russische Sprache braucht in der Ukraine eigentlich keine besondere staatliche Förderung, denn die bekommt sie schon lange und durch Moskau, das bekanntlich auf großzügige Art Sprache und Kultur in den Nachbarstaaten (und ganz besonders in der Ukraine) fördert. Über eine derartige Lobby verfügt die ukrainische Sprache und Kultur nicht. Sie ist darauf angewiesen, dass der Staat sich für sie einsetzt und aktiv daran arbeitet, die Folgen der imperialen Politik und Russifizierung zu überwinden.
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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Sonnenblume hat geschrieben: Das kann ich liken ;)
Das kann mich enttäuschen :~(~~~
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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

UkraineInteressierter hat geschrieben: Es wird einfach nie passieren, dass wissenschaftliche Fachliteratur, Filme oder Popmusik im großen Stil auf Ukrainisch veröffentlicht werden - dazu ist die Sprache, man verzeihe mir die Ausdrucksweise, zu unbedeutend und zu "klein". Das hat überhaupt nichts mit schleichender Russifizierung zu tun. Eher mit Globalisierung und Marktwirtschaft. Die Vorstellungen des Autors von der gewünschten Rolle des Ukrainischen sind völlig weltfremd, solche Vorstellungen würde man in Deutschland als "von vorgestern" abstempeln.
Noch ein weiterer Gedanke dazu: In welcher Sprache lesen eigentlich Slowaken ihre Zeitungen, publizieren wissenschaftliche Artikel, hören Radio? Sind die nicht ein noch viel kleineres Volk als die paar Ukrainer? Schauen wir uns doch mal in Europa um - Tschechien, Kroatien, die baltischen Länder - alles eher kleine Völker - kommt irgendjemand von denen auf die Idee, größere Teile des öffentlichen Lebens sich in einer fremden Sprache abspielen zu lassen?

Ich bin sehr für Multilingualität. Auch wenn das Russische im Grunde eine Provinzsprache ist, die außer im Speckgürtel ehemaliger Kolonien eigentlich keine besondere Bedeutung hat, bin ich durchaus dafür, in einem Land mit vielen nativ Russophonen diese Sprache zu lernen - vielleicht auch erst als Drittsprache, denn wichtiger sollte in unserer globalisierten Welt eigentlich Englisch sein, welches in den Ländern der ehemaligen SU leider heute immer noch viel zu wenig beherrscht wird (ich wäre neugierig, wie dann ein analog zum "Denglisch" eventuell entstehendes "Renglisch" klänge).

Was Du hier als "von vorgestern" abstempeln möchtest, ist eigentlich im Rest der Welt völlig normal, nur in der Ukraine soll es nach Deiner Meinung offenbar nicht gelten. Das finde ich nun etwas weltfremd :)
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Re: Abspalten ???

Beitrag von Sonnenblume »

mbert hat geschrieben: Auch wenn das Russische im Grunde eine Provinzsprache ist, die außer im Speckgürtel ehemaliger Kolonien eigentlich keine besondere Bedeutung hat...
Um es mit deinen Worten zu sagen:
mbert hat geschrieben: Das finde ich nun etwas weltfremd :)
Ich klinke mich aus der Diskussion hier aus, wenn wir inzwischen auf dem Niveau sind, dass eine Sprache, die mindestens auf einem 7. der Erde gesprochen wird, als Provinzsprache bezeichnet wird...

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Sonnenblume hat geschrieben:Ich klinke mich aus der Diskussion hier aus, wenn wir inzwischen auf dem Niveau sind, dass eine Sprache, die mindestens auf einem 7. der Erde gesprochen wird, als Provinzsprache bezeichnet wird...
Gut, dass Dir das auffällt. Ich glaube, dass der Vorwurf von "Provinzsprache" hier kein Argument dafür sein kann, eine Sprache als weniger relevant als andere zu betrachten. Ich wollte gern mal sehen, wie die Wirkung ist, wenn derartige "Bedeutungsrethorik" mal in umgekehrter Richtung ausgesandt wird. Ich würde sagen: Touche DANCE

Ich wäre auch sehr dafür, die Polemik herauszunehmen. Ich muss aber schon zugeben, dass mir bei gewissen Vergleichen (die auch noch Deinen Beifall fanden) doch ziemlich der Hut hochgeht.
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Re: Abspalten ???

Beitrag von UkraineInteressierter »

mbert hat geschrieben: In einem Gebiet (ich spreche hier ja nicht einmal über die gesamte Ukraine), in dem gefühlt 90% der Menschen sowohl zu hause als auch bei der Arbeit ukrainisch sprechen, findest Du also nichts schlimmes dabei, dass Radio und Printmedien russisch dominiert sind?

Diese Schieflage müsste in einer unabhängigen Ukraine eigentlich behoben sein. Sie ist es aber nicht. Daher kann ich über Dein Kopfschütteln selber nur den Kopf schütteln.
Soll man in der Ukraine den Verkauf russischsprachiger Zeitungen verbieten?? In der Ukraine wird niemand gehindert, eine ukrainischsprachige Zeitung zu gründen oder einen Radiosender zu eröffnen, der explizit keine russische Musik sendet. Wenn diese nicht so beliebt sind und russischsprachige Medien besser laufen, dann mag das traurig sein, aber es ist dann wohl der Wille der Konsumenten. Sie könnten ja auch was anderes kaufen oder hören. Im übrigen ist es ja nicht so, dass es überhaupt keine ukrainische Presse oder Musik gibt, nur eben deutlich weniger. Das Ukrainische hat aber auch weniger Sprecher...

Das hat sehr wohl mit Russifizierung zu tun. Du tust ja so, als sei es "natürlich", dass in der Ukraine russisch gesprochen wird. Verstehe mich nicht falsch, ich mach niemandem einen Vorwurf, dessen Muttersprache russisch ist, weil die Vorfahren aus Russland eingewandert waren oder sich haben russifizieren lassen. Aber Du kannst sicher sein, dass, wäre die Ukraine im 19. Jh. unabhängig gewesen, beispielsweise wissenschaftliche Fachliteratur (und entsprechend auch: ein entsprechendes Vokabular) gebildet hätte - weil das in jedem unabhängigen Land damals so üblich war. Die Verhältnisse in der Westukraine sind eine direkte Konsequenz einer Politik, in der die ukrainische Sprache und Kultur bis zu einem gewissen Grad geduldet wurde, aber immer einen leicht folkloristischen Anstrich bekam - das Machtzentrum war in Moskau, und man musste, wenn man im Reich irgendwie Karriere machen wollte, Russisch beherrschen.

Dieser Zustand ist vollkommen künstlich, und der Autor hat absolut recht, das zu monieren.


Wirklich künstlich ist meines Erachtens das Problem, dass bestimmte politische Kreise aus dem Russischen machen. Wie vermutlich schon bekannt, ist meine Familie väterlicherseits eine "russifizierte ukrainische Familie" aus Dnepropetrowsk. Ich weiß, dass bereits mein Urgroßvater Russisch als hauptsächliche Muttersprache hatte, und der wurde 1883 geboren. Was davor gesprochen wurde, ist heute nicht mehr bekannt.

Teile der Ukraine kamen schon im 17. Jahrhundert (!) unter russische Herrschaft, lange bevor sich ein spezifisch ukrainisches Nationalbewusstsein entwickelt hatte. Die Kiewer Rus ist erst im 13. Jahrhundert ganz zerfallen und zumindest damals sprach man mit dem Altostslawischen noch eine gemeinsame Sprache. Besonders in der Ostukraine hat sich bis heute teilweise das Gefühl erhalten, dass man doch eigentlich ein Volk mit den Russen bildet und daher hat man eben sehr häufig bereitwillig die russische Sprache übernommen. Bis das Russische als Schriftsprache durchgesetzt wurde, war die wichtigste Schriftsprache der heutigen Ukraine, auch im Westen, das Ruthenische (neben dem Altkirchenslawischen). Dessen Eigenbezeichnung lautete руский языкъ. Was ich damit sagen will ist, dass man besonders in der Ostukraine über Jahrhunderte vermutlich die eigene Muttersprache nicht genau definiert hatte. Als das Russische "von oben" angeordnet wurde, hat man das teils bereitwillig angenommen und das schon vor der sowjetischen Zeit. Die Bevölkerung glaubte lange ja wirklich, man spreche den kleinrussischen Dialekt und hat dann eben versucht, die "Hochsprache" zu sprechen. Zumal es, besonders in früheren Jahrhunderten, keine klaren, geografischen Sprachgrenzen gab. Ich spreche hier nicht von der Westukraine, das ist eine andere Geschichte. Und es stimmt einfach nicht, dass Regionen wie der Donbass erst seit ein paar Jahrzehnten russischsprachig sind.
Aber Du kannst sicher sein, dass, wäre die Ukraine im 19. Jh. unabhängig gewesen, beispielsweise wissenschaftliche Fachliteratur (und entsprechend auch: ein entsprechendes Vokabular) gebildet hätte - weil das in jedem unabhängigen Land damals so üblich war.
Das mag sein - aber das waren damals andere Zeiten. Nur wenige Menschen im damaligen Europa konnten Fremdsprachen, geschweige denn die eigene Sprache lesen oder schreiben und der Otto-Normal-Bürger hat seine Umgebung nie verlassen. Im Zeitalter von Massenmedien und Internet ist das aber anders.
mbert hat geschrieben:Was mich bei den "Kämpfern für russophone Gleichberechtigung" in der Ukraine sehr stört, ist das Fehlen einer Verhältnismäßigkeit: die russische Sprache hat jenseits von jedweden Gesetzen in der Ukraine eine Stellung die viel privilegierter ist als der Anteil ihrer Sprecher. Angesprochen auf Dinge wie Medien (siehe oben) kommt sofort das Argument der "Marktwirtschaft". Die Notwendigkeit, die Staatssprache zu beherrschen wird mit Argumenten wie "Globalisierung" oder gar mit der Forderung einer zweiten Staatssprache abgetan.

Die Russische Sprache braucht in der Ukraine eigentlich keine besondere staatliche Förderung, denn die bekommt sie schon lange und durch Moskau, das bekanntlich auf großzügige Art Sprache und Kultur in den Nachbarstaaten (und ganz besonders in der Ukraine) fördert. Über eine derartige Lobby verfügt die ukrainische Sprache und Kultur nicht. Sie ist darauf angewiesen, dass der Staat sich für sie einsetzt und aktiv daran arbeitet, die Folgen der imperialen Politik und Russifizierung zu überwinden.
Bei solchen Beiträgen, besonders im letzten Satz, lese ich immer den Wunsch heraus, dass irgendwann niemand mehr Russisch aber jeder Ukrainisch spricht. Das Ukrainische ist in der Ukraine heute alles andere als bedroht. In vielen russischsprachigen Regionen hat man das Russische aber massiv zurückgedrängt, besonders im Bildungssektor. In Kiew gibt es nicht mal mehr 1% russischsprachige Schulen. Das Russische ist in der Ukraine keine Fremdsprache, es ist die Muttersprache von Millionen Ukrainern und dieser Rolle muss man irgendwie Rechnung trage.

Man macht es sich schon sehr einfach, wenn man behauptet, die Rolle des Russischen wird durch finanzielle Zuwendungen aus Moskau schon genug geschützt. Wenn man dem Russischen eine offizielle Stellung zukommen lässt, fällt dadurch doch nicht gleich der Schutz für das Ukrainische weg. Und jeder Russophone ist auch weiterhin angehalten, Ukrainisch zu lernen. Nur zwingt ihn dann niemand dazu, die Sprache in Situationen zu verwenden, in denen er sie nicht nutzen will.
Hast Du Dir mal Gedanken gemacht, warum ein Serhij Zhadan auf ukrainisch schreibt und nicht auf russisch? Warum Juschchenko's Muttersprache ukrainisch ist und nicht russisch?
Hast du dir schon mal darüber Gedanken gemacht, warum der gebürtige Westukrainer Jurij Andruchowytsch eine Zeitung herausgibt, die auch auf Russisch erscheint und warum er seine Beiträge selbst auf Russisch übersetzt? Warum man in manchen Regionen das letztjährige KK-Gesetz mit deutlicher Mehrheit begrüßte? Weil das Russische eine besondere Rolle in der Ukraine hat, die eben nicht der einer x-beliebigen Fremdsprache entspricht...
Noch ein weiterer Gedanke dazu: In welcher Sprache lesen eigentlich Slowaken ihre Zeitungen, publizieren wissenschaftliche Artikel, hören Radio? Sind die nicht ein noch viel kleineres Volk als die paar Ukrainer? Schauen wir uns doch mal in Europa um - Tschechien, Kroatien, die baltischen Länder - alles eher kleine Völker - kommt irgendjemand von denen auf die Idee, größere Teile des öffentlichen Lebens sich in einer fremden Sprache abspielen zu lassen?
Also in der Slowakei werden auch viele tschechische Zeitungen gelesen und tschechische Fernsehprogramme gesehen. Hab ich letztes Jahr in Bratislava selbst mitgekriegt.
Ich bin sehr für Multilingualität. Auch wenn das Russische im Grunde eine Provinzsprache ist, die außer im Speckgürtel ehemaliger Kolonien eigentlich keine besondere Bedeutung hat, bin ich durchaus dafür, in einem Land mit vielen nativ Russophonen diese Sprache zu lernen - vielleicht auch erst als Drittsprache, denn wichtiger sollte in unserer globalisierten Welt eigentlich Englisch sein, welches in den Ländern der ehemaligen SU leider heute immer noch viel zu wenig beherrscht wird (ich wäre neugierig, wie dann ein analog zum "Denglisch" eventuell entstehendes "Renglisch" klänge).
Diese Behauptung zeigt, dass du nicht frei von Vorurteilen bist. Russisch ist Arbeitssprache der UNO und gehört zu den zehn meist gesprochenen Sprachen der Welt. Wenn man Russisch nicht lernt, weil es einem zu unwichtig ist, was sollte man dann eigentlich lernen, außer Englisch?

Außerdem wenn das Russische eine Provinzsprache ist, was ist dann das Ukrainische? Rein rational würde es überhaupt keinen Sinn machen an dieser Sprache festzuhalten, denn das Beherrschen des Ukrainischen bringt außerhalb einiger westukrainischer Oblasten nicht mal in der Ukraine übermäßig viel und belegt im Kopf nur Platz, den man zum Erlernen anderer Sprachen nutzen könnte. Das ist übrigens auch nicht meine Meinung, aber wenn man sagt, dass Russische sei eine Provinzsprache, kann man so einen Vergleich schon mal bringen...
Und die Ansicht, dass Russisch in UA bestenfalls als Drittsprache gelernt werden sollte, wenn überhaupt, ist sowas von realitätsfern und genau deswegen, weil die Orangenen auch so denken, werden sie im Osten der Ukraine auch nicht wirklich gewählt.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von Sonnenblume »

mbert hat geschrieben:
Ich wäre auch sehr dafür, die Polemik herauszunehmen. Ich muss aber schon zugeben, dass mir bei gewissen Vergleichen (die auch noch Deinen Beifall fanden) doch ziemlich der Hut hochgeht.
Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich die Danksagung zu siggis Beitrag wieder storniert habe, nachdem ich deinen Beitrag gelesen hatte? Aber auch wenn ich das nicht getan hätte, stände mir ja wohl meine Meinung dazu zu.
Ich bin durchaus in der Lage, mich zu korrigieren, wenn bestimmte Argumente mir einleuchten. Ich finde aber immer weniger davon bei dir, weil ich immer mehr den Eindruck habe, dass es für dich nur noch gut und böse gibt. Deine Beiträge kommen bei mir in letzter Zeit immer mehr so an, als würde dich persönlich jemand angreifen und du genötigt wärst, dich zu verteidigen. Wo ist der mbert geblieben, der immer so ausgleichend wirkte?
PS: Um mal auf die Medien in der Ukraine zurückzukommen, wir haben so um die 20 Fernsehsender hier und da einen Nicht- ukrainischsprachigen zu finden, da muß man schon genau wissen, welche Nummer er hat. Und Radio hört hier doch kaum einer. Die Glotze läuft bei allen, die zu Hause sind, rund um die Uhr. Ich kann wirklich nicht erkennen, wo hier Ukrainisch unterdrückt wird - weder in der aktuellen Politik noch im täglichen Leben.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

UkraineInteressierter hat geschrieben: Soll man in der Ukraine den Verkauf russischsprachiger Zeitungen verbieten?? In der Ukraine wird niemand gehindert, eine ukrainischsprachige Zeitung zu gründen oder einen Radiosender zu eröffnen, der explizit keine russische Musik sendet. Wenn diese nicht so beliebt sind und russischsprachige Medien besser laufen, dann mag das traurig sein, aber es ist dann wohl der Wille der Konsumenten. Sie könnten ja auch was anderes kaufen oder hören. Im übrigen ist es ja nicht so, dass es überhaupt keine ukrainische Presse oder Musik gibt, nur eben deutlich weniger. Das Ukrainische hat aber auch weniger Sprecher...
Bei Zeitungen arbeiten in der Ukraine wie auch in anderen Ländern meist nur die regionalen Blätter wirklich rentabel (und die sind in der Westukraine auch meist ukrainischsprachig). Überregionale Zeitungen, Zeitschriften etc. hängen meist wesentlich von Geld von außen ab. Derartige Förderung gibt es für ukrainische Publikationen einfach weniger, allein schon, weil Russland eine Menge Geld in den Export seiner Sprache und seiner Sicht der Dinge investiert. Mit dem Willen von Konsumenten hat das überhaupt nichts zu tun.
UkraineInteressierter hat geschrieben:Teile der Ukraine kamen schon im 17. Jahrhundert (!) unter russische Herrschaft, lange bevor sich ein spezifisch ukrainisches Nationalbewusstsein entwickelt hatte. Die Kiewer Rus ist erst im 13. Jahrhundert ganz zerfallen und zumindest damals sprach man mit dem Altostslawischen noch eine gemeinsame Sprache. Besonders in der Ostukraine hat sich bis heute teilweise das Gefühl erhalten, dass man doch eigentlich ein Volk mit den Russen bildet und daher hat man eben sehr häufig bereitwillig die russische Sprache übernommen.
Das ist so nicht richtig. Es gab im 17. Jahrhundert vielleicht keine "ukrainische", aber doch eine deutlich von der moskauer unterscheidbare Identität. Man kann sie meinetwegen "kosakisch" nennen, und sie geht einher mit deutlich unterschiedlich funktionierenden Gesellschaften (feudales System im Moskauer Reich, egalitär(er) im Hetmanat), vollkommen unterschiedlich arbeitendes Gemeindewesen, völlig unterschiedliche Bildungswesen (das Moskauer Reich verfügte genau genommen damals noch über nichts, was den Namen verdient hätte, während in Kyiv bereits die Mohyla-Universität existierte).

Ich weiß nicht, wo Du Deine Information her hast. Mir drängt sich der Eindruck auf, dass Du Dich auf die in russischen Medien leider sehr verbreitete Darstellungsweise stützt, die leider viel zu oft über das Ziel der historischen Korrektheit das der Rechtfertigung imperialer Politik stellt.
UkraineInteressierter hat geschrieben:Bis das Russische als Schriftsprache durchgesetzt wurde, war die wichtigste Schriftsprache der heutigen Ukraine, auch im Westen, das Ruthenische (neben dem Altkirchenslawischen). Dessen Eigenbezeichnung lautete руский языкъ. Was ich damit sagen will ist, dass man besonders in der Ostukraine über Jahrhunderte vermutlich die eigene Muttersprache nicht genau definiert hatte.
Es gibt keine eine ruthenische Sprache. Die Bedeutung dieses Begriffs ist vollkommen unklar, wenn man nicht zusätzlich die zeitliche Epoche und das jeweilige Territorium, nennt. Das selbe kann man übrigens auch über den Begriff "руский языкъ" sagen (der übrigens nicht zu verwechseln ist mit "руский язык", dem Begriff für die moderne russische Sprache - trotz der Ähnlichkeit bezeichnen diese beiden Begriffe etwas völlig Unterschiedliches). Beispielsweise tauchen dieser Begriff (genaus so übrigens wie "про́ста мова") auf im Zusammenhang der offiziellen Sprache im Litauischen Großherzogstum, werden aber auch wiederum benutzt für die Schriftsprache im Hetmanat des 17./18. Jh., nur welche davon Du jetzt meinst, bleibt leider im Dunkeln. Es ist interessant, sich Kopien alter Handschriften aus der Zeit des Hetmanats anzusehen, man wird feststellen, dass die Sprache durchaus schon stark an das heutige Ukrainisch erinnert.

Das Problem ist, dass an dieser Stelle weder Platz, noch Zeit, noch Qualifikation der Diskutanten (mich eingeschlossen) ausreicht, um das Thema jenseits von politisch motivierten Halbwahrheiten wissenschaftlich einigermaßen korrekt zu erörtern (das ist ungefähr O-Ton meiner Frau, die promovierte slawische Linguistin ist, als ich sie nach dem Thema fragte). Wer die Sprache versteht, möge sich gern mal die ukrainische Fassung des Artikels auf Wikipedia zur Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ... ansehen, die scheint einigermaßen korrekt und genau zu sein.

Unabhängig von wissenschaftlichen Betrachtungen, die hier den Rahmen sprengen dürften, bleiben für normale Menschen verständliche Quellen, wie z.B. Taras Shevchenko. Es ist ja bekannt, dass er es als Aufgabe verstand, in seinen Werken die im Volk gesprochene Sprache seiner Heimat zu verwenden. Die von ihm geschriebene Sprache ist mit dem modernen Ukrainisch praktisch identisch. Schauen wir uns etwa mal folgenden Nur eingeloggte Mitglieder sehen alle Links ... an:
Скажи Іванові Федьорці, нехай він до мене напише письмо окроме — та тілько не по-московському, а [то] і читать не буду.

Übersetzung (ungefähr):
Sag Ivan Fedjorka, soll er mir einen separaten Brief schreiben - und nur nicht auf Moskauerisch, den das werde ich nicht lesen.
UkraineInteressierter hat geschrieben: Als das Russische "von oben" angeordnet wurde, hat man das teils bereitwillig angenommen und das schon vor der sowjetischen Zeit. Die Bevölkerung glaubte lange ja wirklich, man spreche den kleinrussischen Dialekt und hat dann eben versucht, die "Hochsprache" zu sprechen.
Hast Du irgendwelche Quellen für diese Behauptung? Die Ostukraine war bis zur Gründung von Städten durch die imperiale russische Regierung rein ukrainischsprachig. Der "kleinrussische Dialekt" ist vor allem im Sprachgebrauch der imperialen Verwaltung aufgetreten und hatte natürlich den Zweck, dem Volk den Eindruck zu vermitteln, Russisch sei im Gegensatz zu Ukrainisch eine "Hochsprache" - was natürlich hahnebüchener Unsinn ist, bestenfalls handelt es sich je nach Sichtweise bei beiden Sprachen um Dialekte einer ausgestorbenen Hochsprache :)
UkraineInteressierter hat geschrieben:Zumal es, besonders in früheren Jahrhunderten, keine klaren, geografischen Sprachgrenzen gab. Ich spreche hier nicht von der Westukraine, das ist eine andere Geschichte. Und es stimmt einfach nicht, dass Regionen wie der Donbass erst seit ein paar Jahrzehnten russischsprachig sind.
Die Russifizierung des Donbass begann mit der industriellen Revolution im späten 19. Jh. (etwas anderes habe ich übrigens auch nie behauptet) - die Bevölkerung bis dahin praktisch rein ukrainisch, die Zahl wird auf etwas unter 700.000 geschätzt (vgl. "Der Donbass eine landeskundliche und geschichtliche Betrachtung des Altindustriegebiets am Donez", Urs Noetzelmann). Die Russifizierung ging einher mit der Urbanisierung - die neu gegründeten Städte und ihre Industrien benötigten qualifizierte Arbeitskräfte, die es auf dem ukrainischen Land nicht gab, so dass man sie zunächst aus Russland importierte (vgl. Subtelny, Geschichte der Ukraine, ab dem Abschnitt "Industrialisierung").

Was die nicht klar definierten geographischen Sprachgrenzen betrifft, bitte ich Dich hier um verwertbare Quellen. Was man z.B. bei Subtelny liest (z.B. das Kapitel "Modernisierung und die fehlenden Ukrainer" sowie alles ab "Nationale Minderheiten in der Ukraine"), geht eigentlich ziemlich eindeutig in die Richtung, dass mit der Urbanisierung vor allem durch Zuzug von Russen und Juden (die sich sprachlich traditionell immer der herrschenden Ethnie anschlossen) sich in den Städten eine russische Dominanz entwickelte. Dafür, dass in der ukrainischen Bevölkerung irgendetwas anderes als Ukrainisch in irgendeinem seiner Dialekte eine Rolle gespielt haben soll, gibt es keine Belege. Ich weiß nicht, wo Du das aufgeschnappt hast, aber für mich sieht das sehr danach aus, dass bei derartigen Formulierungen wieder einmal die Rechtfertigung einen höheren Stellenwert als wissenschaftliche Genauigkeit hatte.
UkraineInteressierter hat geschrieben:Das mag sein - aber das waren damals andere Zeiten. Nur wenige Menschen im damaligen Europa konnten Fremdsprachen, geschweige denn die eigene Sprache lesen oder schreiben und der Otto-Normal-Bürger hat seine Umgebung nie verlassen. Im Zeitalter von Massenmedien und Internet ist das aber anders.
Nun, wir korrespondieren hier ja auch in Deutsch und nicht in Englisch, obwohl das sicher einige von uns problemlos könnten. Globalisierung und Russifizierung sind nun wirklich vollkommen unterschiedliche Dinge.
UkraineInteressierter hat geschrieben:Bei solchen Beiträgen, besonders im letzten Satz, lese ich immer den Wunsch heraus, dass irgendwann niemand mehr Russisch aber jeder Ukrainisch spricht. Das Ukrainische ist in der Ukraine heute alles andere als bedroht. In vielen russischsprachigen Regionen hat man das Russische aber massiv zurückgedrängt, besonders im Bildungssektor. In Kiew gibt es nicht mal mehr 1% russischsprachige Schulen. Das Russische ist in der Ukraine keine Fremdsprache, es ist die Muttersprache von Millionen Ukrainern und dieser Rolle muss man irgendwie Rechnung trage.
Ich fände es normal und richtig, dass in einer unabhängigen Ukraine das Ukrainische einen höheren Status hätte als das Russische - wenn es denn so wäre. Es ist aber nicht der Fall! Unabhängig von gesetzlichen Regelungen ist der Druck, ins Russische zu wechseln, in den Städten östlich von Lviv und Ternopil allgegenwärtig, nicht weil man es mit nativ russisch Sprechenden zu tun hat, sondern weil "man das so macht". Diese Unstände sind künstlich herbeigeführt. Russland fördert den Gebrauch der russischen Sprache sowie russische Kultur und auch die russische Sicht auf die Politik in der Ukraine massiv. Selbst wenn sie wollte, hätte die ukrainische Regierung dem wenig entgegenzusetzen.

Ich würde wirklich gern mal sehen, wie Du mit Deinem Patriotismus auf eine Realität regieren würdest, wie sie für Ukrainischsprechende selbst in der Westukraine normal ist (die oben erwähnten Themen) und wenn Dir dann jemand käme mit "Marktwirtschaft" und "Globalisierung". Ich glaube, Du bist hier Dir selbst und auch uns gegenüber nicht ganz ehrlich.
UkraineInteressierter hat geschrieben:
Hast Du Dir mal Gedanken gemacht, warum ein Serhij Zhadan auf ukrainisch schreibt und nicht auf russisch? Warum Juschchenko's Muttersprache ukrainisch ist und nicht russisch?
Hast du dir schon mal darüber Gedanken gemacht, warum der gebürtige Westukrainer Jurij Andruchowytsch eine Zeitung herausgibt, die auch auf Russisch erscheint und warum er seine Beiträge selbst auf Russisch übersetzt? Warum man in manchen Regionen das letztjährige KK-Gesetz mit deutlicher Mehrheit begrüßte? Weil das Russische eine besondere Rolle in der Ukraine hat, die eben nicht der einer x-beliebigen Fremdsprache entspricht...
Du schreibst hier am Thema vorbei. Die beiden oben von mir genannten Personen sind beide Ostukrainer, deren Muttersprache und auch gesprochene Sprache ukrainisch ist. Sie sind Vertreter der gar nicht so kleinen Gruppe der Ukrainophonen in der Ostukraine, auf Die Du leider überhaupt nicht eingehst.
UkraineInteressierter hat geschrieben:
Noch ein weiterer Gedanke dazu: In welcher Sprache lesen eigentlich Slowaken ihre Zeitungen, publizieren wissenschaftliche Artikel, hören Radio? Sind die nicht ein noch viel kleineres Volk als die paar Ukrainer? Schauen wir uns doch mal in Europa um - Tschechien, Kroatien, die baltischen Länder - alles eher kleine Völker - kommt irgendjemand von denen auf die Idee, größere Teile des öffentlichen Lebens sich in einer fremden Sprache abspielen zu lassen?
Also in der Slowakei werden auch viele tschechische Zeitungen gelesen und tschechische Fernsehprogramme gesehen. Hab ich letztes Jahr in Bratislava selbst mitgekriegt.
Schönes Beispiel, aber gern noch einmal: käme jemand auf die Idee, deren Sprache einen "weniger relevanten" Status zu geben? Jedes Volk hat ein Recht darauf, seine Sprache und Kultur zu entwickeln, und ein Staat hat die Aufgabe, es darin zu fördern.

UkraineInteressierter hat geschrieben:
Ich bin sehr für Multilingualität. Auch wenn das Russische im Grunde eine Provinzsprache ist, die außer im Speckgürtel ehemaliger Kolonien eigentlich keine besondere Bedeutung hat, bin ich durchaus dafür, in einem Land mit vielen nativ Russophonen diese Sprache zu lernen - vielleicht auch erst als Drittsprache, denn wichtiger sollte in unserer globalisierten Welt eigentlich Englisch sein, welches in den Ländern der ehemaligen SU leider heute immer noch viel zu wenig beherrscht wird (ich wäre neugierig, wie dann ein analog zum "Denglisch" eventuell entstehendes "Renglisch" klänge).
Diese Behauptung zeigt, dass du nicht frei von Vorurteilen bist. Russisch ist Arbeitssprache der UNO und gehört zu den zehn meist gesprochenen Sprachen der Welt. Wenn man Russisch nicht lernt, weil es einem zu unwichtig ist, was sollte man dann eigentlich lernen, außer Englisch?
Nein, diese Formulierung ist zwar nicht wörtlich, aber sinngemäß inspiriert von dem, was Du zu diesem Thema geschrieben hast. Mir hängen diese "Relevanzdiskussionen" zum Halse heraus, und ich wollte einfach mal sehen, wie Du als "russophoner Patriot" auf Derartiges reagieren würdest :)
Ich will noch einmal ganz klar schreiben, dass dies normalerweise nicht mein Stil ist (und ich derartiges auch nicht weiter kultivieren möchte). Nur mir fehlt hier gerade in Diskussion mit Dir ganz deutlich der Respekt auf Deiner Seite, den Du aber von anderen für "Deine Sache" forderst.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Sonnenblume hat geschrieben:Vielleicht ist dir aufgefallen, dass ich die Danksagung zu siggis Beitrag wieder storniert habe, nachdem ich deinen Beitrag gelesen hatte? Aber auch wenn ich das nicht getan hätte, stände mir ja wohl meine Meinung dazu zu.
Nein, das ist mir nicht aufgefallen - ich finde es aber wundervoll, wenn jemand die Größe hat, seine Meinung zu überdenken und das auch öffentlich einzugestehen, dafür hast Du von mir Sympathie und großen Respekt (unabhängig davon, um wessen Beitrag es da gerade ging!).
Sonnenblume hat geschrieben:Ich finde aber immer weniger davon bei dir, weil ich immer mehr den Eindruck habe, dass es für dich nur noch gut und böse gibt. Deine Beiträge kommen bei mir in letzter Zeit immer mehr so an, als würde dich persönlich jemand angreifen und du genötigt wärst, dich zu verteidigen. Wo ist der mbert geblieben, der immer so ausgleichend wirkte?
Das ist sicher oft auch tagesformabhängig, und mitunter geht mir auch einfach mal der Hut hoch, und ich schreibe dann etwas emotionaler als sonst.
Sonnenblume hat geschrieben: Ich kann wirklich nicht erkennen, wo hier Ukrainisch unterdrückt wird - weder in der aktuellen Politik noch im täglichen Leben.
Das war ja eigentlich auch überhaupt nicht der Punkt, um den es im von mir zitierten Artikel ging - es ging da ja eher um die Frage, ob Andruchovytsch und co. "Vaterlandsverräter" seien, deshalb hatte ich das ja auch hier eingehängt.

Dass mich das Thema "Sprache" interessiert und ich darüber auch gern diskutiere, ist abgesehen davon natürlich bekannt :)
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Re: Abspalten ???

Beitrag von Sonnenblume »

mbert hat geschrieben: Ich fände es normal und richtig, dass in einer unabhängigen Ukraine das Ukrainische einen höheren Status hätte als das Russische - wenn es denn so wäre. Es ist aber nicht der Fall! Unabhängig von gesetzlichen Regelungen ist der Druck, ins Russische zu wechseln, in den Städten östlich von Lviv und Ternopil allgegenwärtig, nicht weil man es mit nativ russisch Sprechenden zu tun hat, sondern weil "man das so macht". Diese Unstände sind künstlich herbeigeführt. Russland fördert den Gebrauch der russischen Sprache sowie russische Kultur und auch die russische Sicht auf die Politik in der Ukraine massiv. Selbst wenn sie wollte, hätte die ukrainische Regierung dem wenig entgegenzusetzen.
mbert, ehrlich, ich weiß nicht, woher du deine Informationen zum gegenwärtigen Umgang mit der Ukrainischen Sprache "weiter im Osten" beziehst. KEINER (zumindest nicht einer, den wir kennen oder mit dem wir zu tun haben, hat sich je so verhalten) verspürt hier in Kiew den Druck ins Russische zu wechseln. Warum auch? Weder bei Vertragsverhandlungen noch in Geschäften. Im Gegenteil, ich war jetzt 3 Jahre in Moskau und in dieser Zeit hat sich eine Selbstverständlichkeit entwickelt, bei der viele auf ihr Ukrainisch stolz sind. Und das ist auch gut so. Man geht locker miteinander um. Gesprochen wird, wie jeder es kann und die Verständigung steht an 1. Stelle und nicht irgendwelche angeblich künstlich erzeugten Differenzen.

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Re: Abspalten ???

Beitrag von mbert »

Sonnenblume hat geschrieben:KEINER (zumindest nicht einer, den wir kennen oder mit dem wir zu tun haben, hat sich je so verhalten) verspürt hier in Kiew den Druck ins Russische zu wechseln. Warum auch? Weder bei Vertragsverhandlungen noch in Geschäften. Im Gegenteil, ich war jetzt 3 Jahre in Moskau und in dieser Zeit hat sich eine Selbstverständlichkeit entwickelt, bei der viele auf ihr Ukrainisch stolz sind. Und das ist auch gut so. Man geht locker miteinander um. Gesprochen wird, wie jeder es kann und die Verständigung steht an 1. Stelle und nicht irgendwelche angeblich künstlich erzeugten Differenzen.
Du hast insofern Recht, dass ich zu Kiyv nicht viel sagen kann, weil ich einfach zu selten dort bin. Ich hatte tatsächlich den Eindruck, dass nach der orangenen Revolution der Anteil des Ukrainischen dort deutlich zugenommen hat. Von anderen Städten in der Zentralukraine (z.B. Vinnytsja) kenne ich das aus eigener Anschauung anders.

Im Grunde hat sich aber auch meine Einstellung zum Thema "Sprachregelung" in der Ukraine nicht großartig geändert, als wir das damals im großen Sprachthread geschrieben hatten. Es gibt m.E. keinen Bedarf, von Seite des Gesetzgebers großartig etwas zu ändern (mal abgesehen davon, das KK-Gesetz wieder rückgängig zu machen).

Interessanter finde ich bei dem, was hier heute geschrieben wurde, wie wenig Konkretes eigentlich bekannt ist über die Entwicklung der russischen und ukrainischen Sprache und den historischen Kontext der Vermischung beider Völker.
Es genügt nicht, nur keine Gedanken zu haben, man muss auch unfähig sein, sie auszudrücken!

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Re: Abspalten ???

Beitrag von UkraineInteressierter »

Mir hängen diese "Relevanzdiskussionen" zum Halse heraus, und ich wollte einfach mal sehen, wie Du als "russophoner Patriot" auf Derartiges reagieren würdest
Also ehrlich gesagt bin ich gegen jede (übertriebene) Form von Patriotismus eingestellt und bin absolut dagegen, dass man irgendeine Sprache oder Kultur über eine andere stellt, egal wo wir uns befinden und um welche Sprache es geht. Meiner Meinung nach sollten die Menschen selbst bestimmen welche Sprache sie sprechen und nicht der Staat. Der hat nur die Rahmenbedingungen aufrechtzuerhalten, dass das öffentliche Leben funktioniert. Der Mensch hat sich der Nation unterzuord
nen - ne, sowas hatten wir schon mal. Warum sollte das Ukrainische in der Ukraine mehr Wertschätzung als das Russische erfahren? Wenn die Leute kein Ukrainisch am Arbeitsplatz oder sonst wo sprechen wollen, dann sollte man das respektieren und nicht sagen: Aber wir sind doch in der Ukraine, ihr sollt Ukrainisch sprechen!
Das ist so nicht richtig. Es gab im 17. Jahrhundert vielleicht keine "ukrainische", aber doch eine deutlich von der moskauer unterscheidbare Identität.
Das leugne ich ja auch gar nicht. Aber die Unterschiede im sprachlichen Bereich waren nicht soooo ausgeprägt, als dass man sich gar nicht mehr verstanden hätte. Dass Ukrainisch als kleinrussischer Dialekt gesehe wurde, lag wohl hauptsächlich daran, dass das Russische schon damals mehr Sprecher hatte.... Zum Thema Verständnis zwischen Russisch und Ukrainisch kann ich nur sagen, dass ich Ukrainisch erst nach meinem Abitur richtig gelernt habe, aber besonders Geschriebenes auch davor weitgehend problemlos verstanden habe. Gut, ukrainische Literatur oder anspruchsvolle Texte habe ich da nicht gelesen. Mündliches fand ich etwas schwerer zu verstehen. Aber im 17. Jahrhundert waren die Unterschiede zwischen Russisch/Ukrainisch noch geringer. Ich möchte hier das Ukrainische keinesfalls als irgendwie schlechter darstellen, aber der Einfluss des Russischen ist mMn nichts völlig Künstliches.

Hast Du irgendwelche Quellen für diese Behauptung? Die Ostukraine war bis zur Gründung von Städten durch die imperiale russische Regierung rein ukrainischsprachig.
Viele ukrainische Städte waren schon lange vor der Industrialisierung russischsprachig. Meine, wenn man das so nennen darf, Heimatstadt Dnepropetrowsk wurde im 18. Jahrhundert von Russen gegründet und bis Anfang des 20. Jahrhunderts mehrheitlich von Russen und Juden bewohnt. Die Stadt war nie ukrainischsprachig. Das selbe gilt für viele andere Städte.


Der Staat soll die Leute doch einfach mit der Sprache ihrer Wahl glücklich werden lassen, ganz egal welche es ist oder was vor 200 Jahren dort gesprochen wurde! Und vor allem muss die Spannung aus der Sprachenfrage raus, und zwar auf beiden Seiten. Und Kompromisse kann man auch von Westukrainern verlangen (lasst die Ostukrainer ihre Sprachpolitik für sich bestimmen). Dass wir nicht mehr im großrussischen Reich leben, dass Ukrainisch auch eine schöne Sprache ist und gelernt werden sollte hat mittlerweile auch der letzte Donezker Hinterwälder kapiert. Alles was ich (und viele andere Russophone auch) uns wünschen, ist dass man endlich den Wunsch aufgibt, alles zu Ukrainisieren und dass unsere Sprache, dass Russische offiziell anerkannt wird, als das was es ist: Als Muttersprache der Mehrheit der Bevölkerung in vielen Landesteilen.

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